Jugendamt soll Hilfe für Sektenkind verhindert haben
14.4.2013, 11:20 UhrEine interne Akte belegt, dass die Leiterin des Sozialdienstes damals nach einem Gespräch mit dem Jungen, dem Guru und seiner Lebensgefährtin (der Mutter des Betroffenen) eine Abmachung traf, wonach der Schulleiter das Kind „in Ruhe lassen“ solle. Referatsleiter Wolfgang Fischer bestätigt das, setzt dieses Verhalten allerdings in einen Kontext, der das Vergehen der Behörde verständlich machen soll.
Rückblick: Der betroffene Junge lebt seit 1999 mit seinen zwei Geschwistern und seiner Mutter unter dem Einfluss des Gurus von Ailsbach. Er hat gute Noten, und der Schulleiter bestätigt ihm im Zeugnis ein gutes Sozialverhalten.
Sorgen gemacht
Im Juli 2002 allerdings beginnt der Rektor sich große Sorgen zu machen, nachdem das Kind stark abgenommen hat, weil es fasten muss. Im Gespräch mit dem Jugendamt sagt der Junge aus, sein Schulleiter versuche, andere Kinder von ihm fernzuhalten. Einen Schulfreund habe er ins Direktorat zitiert, um ihn vor dem Einfluss der Sekte zu warnen.
Der Junge fühlt sich unwohl, möchte nicht mehr in die Schule gehen, obwohl geplant war, dass er die neunte Klasse freiwillig zusätzlich absolviert. Als sich der Schulleiter wieder an das Jugendamt des Landkreises wendet, findet das besagte Gespräch statt, nach dem der Schulleiter aus der Angelegenheit herausgehalten werden sollte.
„Das Hauptziel war, dass der Junge auf der Schule bleibt“, sagt Fischer. Es habe diese Abmachung gegeben, um dem damals 15-Jährigen entgegen zu kommen. „Da ist nichts Verwerfliches dabei.“ Der Zweck wurde auch erfüllt: Der Junge ist auf der Schule geblieben.
Außerdem, erklärt Fischer, habe das Kind neben den Schwierigkeiten in der Schule weitere Probleme gehabt. Im Mai 2003 nämlich hatte ein Familiengericht seiner Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Der Junge aber habe unbedingt bei ihr bleiben wollen. Ein Verbleib beim Vater sei für ihn keine Alternative gewesen. „Inwieweit der Guru da Einfluss ausgeübt hat, kann ich nicht beurteilen“, sagt Fischer, er geht aber schon von einer „Indoktrination“ aus.
Ausdrücklicher Wunsch
Die Juristen übertragen das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das Jugendamt und legen nahe, einfühlsam auf den Jungen einzuwirken, damit er erkennt, dass die familiäre Situation ihm nicht gut tut. Auf ausdrücklichem Wunsch des Jugendlichen bleibt er aber bei seiner Mutter.
„Er stand sicher unter enormem Druck“, vermutet Fischer, der damals noch nicht im Amt war und die Lage anhand der Akten analysiert. „Auch Landrat Eberhard Irlinger war damals noch nicht mit dem Fall befasst“, versichert der Hausjurist. Er sei gerade ein halbes Jahr im Amt gewesen „und das war normale Jugendamtsarbeit“.
Im August 2004 überträgt ein Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Jungen wieder seiner Mutter. Der Vater ist damit einverstanden. Im Jahr 2005 dann flieht der Junge aus der Sekte. Heute leidet er unter psychischen Problemen.
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