Kampf gegen Klischees
12.12.2009, 00:00 UhrZiemlich überrascht war Heidrun Endt, als sie nach dem Physikum vom Prüfungsamt der Uni Erlangen ein Schreiben erhielt, in dem man ihr wegen ihrer guten Studienleistungen vorschlug, sich bei der «Bayerischen EliteAkademie» (EA) zu bewerben: «Ich habe es abgeheftet und wieder vergessen. Ich hatte keine Zeit, irgendeine lange Bewerbung zu schreiben.»
Doch im neunten Semester, also zwei Jahre später, unterhielt sich die Medizinstudentin mit einem Kommilitonen, der selber das Auswahlverfahren der Akademie durchlaufen hat. «Er hat mir von der tollen Ausbildung vorgeschwärmt. Und da habe ich den Brief doch wieder rausgekramt.» Und schließlich füllte sie im Internet das Bewerbungsformular der EA aus. Und legte die erforderlichen zwei Gutachten bei, von einem Vertrauensdozenten und einem Fachprofessor.
Andreas Bachmeier und Lars Büthe erhielten den gleichen Brief und reagierten ähnlich: «Ich dachte mir: Da hab ich doch eh keine Chance», erinnert sich Büthe, der Mechatronik studiert. «Außerdem wollte ich von diesem Elite-Gedöns gar nichts wissen.» Auch Chemiestudent Bachmeier rechnete nicht ernsthaft damit, am Ende zu den etwa zehn Prozent der erfolgreichen Bewerber zu gehören - und wurde doch angenommen.
Nur Benedikt Forschner hat sich aus eigenem Antrieb beworben: «Aus Neugier», erzählt er. Da man in seinem Fach Jura keine benotete Zwischenprüfung mache, habe das Prüfungsamt ihn nicht angeschrieben.
Und tatsächlich gehörten alle vier zur engeren Auswahl und erhielten die Einladung zum «Assessment Center» nach Feldkirchen-Westerham bei München. «Da wird man relativ stark durchleuchtet», erzählt Bachmeier. Der Bewerber muss sich zwei 45-minütigen Sechs-Augen-Gesprächen mit zwei Professoren stellen, die herausfinden möchten, ob seine Persönlichkeitsstruktur für die Anforderungen der EliteAkademie geeignet ist oder nicht.
Wer sich im Auswahlverfahren durchsetzt, wird drei Mal im Jahr zu den «Präsenzphasen» eingeladen, bei denen die etwa 30 bayerischen EA-Studenten je vier Wochen zusammen sind und an verschiedenen Projekten arbeiten. «Es gibt immer ein bestimmtes Leitthema», erklärt Bachmeier. «Manchmal müssen wir Business-Pläne erstellen, oder eine Online-Plattform für ein Unternehmen. Auch soziale Projekte waren schon dabei, wie ein Konzept für den Bau eines Waisenhauses in Tansania.»
Ständig in Kontakt
Durch die Gruppenarbeit entstehen Freundschaften, erzählt Forschner: «Wir haben auch außerhalb der Präsenzphasen ständig Kontakt. Und wir sind häufig unterwegs. Wenn einer gerade in China ist und der andere in England, ist es schwierig, eine passende Uhrzeit für Skype-Konferenzen zu finden.» Und fast immer bleiben die Studenten auch nach ihrer Zeit an der EA in Kontakt, treffen sich mindestens einmal im Jahr beim «Home-Coming» in Feldkirchen-Westerham und feiern ihr Wiedersehen.
Ziel der EliteAkademie ist es, talentierte bayerische Studierende zu Führungskräften in Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung auszubilden. Gegründet wurde sie 1998 in einer Kooperation zwischen Bayerischer Staatsregierung, Unternehmerverbänden und Universitäten. Durch den Kontakt mit den Förderunternehmen bauen die Studenten ein Netzwerk auf, das ihnen bei der späteren Berufswahl nützlich sein kann. Doch ob die Vier später bei einem der Unternehmen Karriere machen wollen, wissen sie noch nicht. «Ich will erst meine Diplomarbeit schreiben und promovieren», meint Bachmeier. «Es ist noch zu früh, um zu sagen, wo ich mal arbeiten will.»
Aber die Ausbildung genießen alle. «Man lernt die Spannung unternehmerischen Handelns kennen», sagt Forschner. Und man lernt die Welt kennen: Im September reisten die Studenten mit der EA nach China, wo sie sich unter anderem mit den Schwierigkeiten deutscher Unternehmer in Fernost vertraut machten: «Die Chinesen sagen nicht, was sie denken», meint Büthe. «Man bekommt kein Feedback so wie hier.» «Eine halbe Stunde für einen Gesprächstermin reicht nicht», ergänzt Forschner. «Weil man erstmal langsam das Vertrauen der Leute gewinnen muss.»
Trotz der Privilegien, die ihnen die EA bietet, fühlen die Vier sich nicht als «Elite». «Mit dem Begriff identifiziert sich nicht jeder», gibt Lars Büthe zu. «Er hat den Vorteil, dass er polarisiert und Diskussionen auslöst», meint Forschner. «Ich glaube, genau deswegen hat man den Namen ,EliteAkademie‘ gewählt.»
Der Geldbeutel der Eltern soll keine Rolle spielen: «Wenn man aus sozial schwächeren Verhältnissen kommt, wird das in der Bewerbung berücksichtigt», erklärt Heidrun Endt. Außerdem: «Zu den Auswahlkriterien gehört auch soziales Engagement», sagt Bachmeier. «Das kann kirchlich sein, in der Hochschulpolitik oder auch in der Jugendarbeit.»
Nicht nur Leistung ist ausschlaggebend, sondern auch die Bereitschaft zu sozialer Verantwortung: Das Klischee von der rücksichtslosen «Leistungsgesellschaft», in der der Mensch funktionieren muss wie eine Maschine, trifft auf die «EliteAkademie» also nicht zu. PHILIPP DEMLING
Literatur zum Thema: Julia Friedrichs, «Gestatten: Elite - Auf den Spuren der Mächtigen von morgen», Hoffmann und Campe Verlag, 255 Seiten, 17,95 Euro.