Kunst und Disziplin
9.2.2014, 14:12 UhrErfahrungen auf dem Roten Teppich hat Antonia Bill bereits gesammelt. Im Sommer bei der Filmbiennale von Venedig, als dort „Die andere Heimat“ von Edgar Reitz vorgestellt wurde. „Da wirst du in ein Zelt gelotst, geschminkt, und dann geht es raus vor die Kameras. Das Blitzlichtgewitter und die permanenten Rufe der Fotografen verursachen schon ein eigenartiges Gefühl. Aber das Ganze ist nach ein paar Minuten vorbei.“ Die 25-jährige Schauspielerin, die in diesem hochgelobten Werk als Jettchen eine der Hauptrollen spielt, hat in den vergangenen Monaten mehr spektakuläre Momente erlebt, als andere Schauspieler in ihrem ganzen Künstlerleben.
Am Montag wird sie im Rahmen der Berlinale beim „Preis der Deutschen Filmkritik“ wieder Gast bei einer Gala sein. Nominiert ist sie als beste Schauspielerin für ihre „Heimat“-Rolle. Eine ihre Konkurrentinnen an diesem Abend ist die große Barbara Sukowa. Doch Zeit, solche Ereignisse auf sich wirken zu lassen hat Bill kaum, seit sie sich nach einem Praktikum am Theater Erlangen (samt kleiner Rolle in der „Orestie“-Inszenierung) im Jahr 2008 zum Studium an die Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ begab.
Drei Bereiche nehmen Bill derzeit voll in Anspruch: 2011 gewann sie den 1. Preis im Bereich Chanson beim Bundesgesangswettbewerb Berlin. „Beim Finale vor knapp 2000 Zuschauern haben mir schon die Knie gezittert. Da war ich echt platt und froh, als endlich das Saallicht ausging, es dunkel wurde und nur noch der Scheinwerfer auf mich gerichtet war“, erinnert sich Bill. Im Jahr darauf stand sie 40 Drehtage vor der Kamera von Edgar Reitz. „Eine sehr intensive Erfahrung!“ Für dieses Engagement verschob sie auch ihren Start als Mitglied am Berliner Ensemble. „Ich versuche zwar immer noch alles unter einen Hut zu bringen, habe auch ein Chanson-Programm. Doch derzeit bleibt der Film etwas auf der Strecke. Wenn man als junge Schauspielerin ein Fest-Engagement hat, kann man nicht einfach für Aufnahmen verschwinden“, berichtet Bill.
Beim Gespräch in der Kantine des „BE“ schwärmt sie zudem von den Arbeitsbedingungen im einst von Bert Brecht und Helene Weigel gegründeten Theater im Prachtbau am Schiffbauerdamm. „Wir sind hier wirklich so etwas wie eine große Familie!“
Entspannt und froh gelaunt trinkt sie zwischen zwei Aufführungen von „Der zerbrochene Krug“ ihre Limonade. An der Seite von Klaus Maria Brandauer und Tina Engel spielt sie hier eine kleine Rolle in einer Inszenierung von Peter Stein. Macht aber nichts: „Da habe ich viel Zeit, die erfahrenen Kollegen zu beobachten.“ Herausforderungen gibt es jenseits des „Kruges“ genügend. Bill: „Als Luise in ,Kabale und Liebe’ musste ich wirklich an meine Grenzen gehen. Da lernt man auch, wie eingeschränkt der eigene Einfluss auf ein Stück ist und man Vertrauen zu einer Inszenierung haben muss.“ Und noch etwas hat Bill dabei von Intendant und Regisseur Claus Peymann gelernt: „Er hat mir auf den Weg gegeben: Kunst ist Disziplin!“
Von der Stadt kennt Bill — wie sie scherzt — bei so viel Arbeit fast nur den Weg von der Wohnung zum Berliner Ensemble und retour. In Vorbereitung ist gerade ein Solo-Programm. Im Sommer wird es bei einem Auftritt zum Bühnenjubiläum der Familie Bill einen Abstecher nach Erlangen geben. Der Kontakt nach Effeltrich ist im-mer noch sehr, sehr intensiv: „Schließlich sind meine Eltern und meine Schwester meine ehrlichsten und strengsten Kritiker!“
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen