Kunst und Krieg in Erlangen
2.9.2014, 18:08 Uhr„Ich staune immer noch, dass ich mich bei der Ausschreibung zu diesem Kunstprojekt so habe irren können.“ Reiner F. Schulz meint dabei nicht organisatorische oder künstlerische Dinge, sondern den grundlegenden Wandel der politischen Situation. „Heute ist die Feindschaft zwischen den Völkern in Europa überwunden und Freundschaft die gelebte Normalität. Kriege im damaligen Sinne sind unvorstellbar“, hieß es im Text, mit dem Künstler in Erlangen, aber auch in den russischen und französischen Partnerstädten auf das Projekt „Pulverfässer 1914/2014“ aufmerksam gemacht wurden. Den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine in seiner aktuellen Form, hatte Schulz damals nicht für möglich gehalten.
Vor rund eineinhalb Jahren hat Schulz das Konzept mit dem Team des Erlanger Kunstvereins anlässlich des 100. Jahrestags des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ausgearbeitet. „Jeder hat einen durch die Familiengeschichte geprägten Zugang zu diesem Thema“, erzählt Schulz. Dabei ging es von Anfang an darum, nicht ausschließlich die unterschiedlichen Formen der Erinnerungskultur in Europa in den Fokus zu rücken, sondern sich auch mit aktuellen Themen und Formen der Gewalt in Gesellschaften künstlerisch auseinander zu setzen. Die Resonanz auf die Ausschreibung zu diesem Wettbewerb war sehr unterschiedlich.
In der Region war von Anfang an Interesse zu spüren. „Der Kunstverein ist bestens vernetzt. Es gab Unterstützung von vielen Institutionen und die Möglichkeit an Fördergelder zu kommen“, blickt Schulz zurück. Auch etliche Künstler beteiligten sich sofort. In Erlangens russischer Partnerstadt Wladimir stieß man ebenfalls auf offene Ohren.
Lediglich in Frankreich verpufften alle Anstrengungen. „Wir haben wirklich alle Kanäle bemüht. Von der Stadt Rennes bis zum Kunst-Departement der dortigen Universität. Auch per Facebook haben wir es versucht. Leider gab’s keine Resonanz.“
Insgesamt haben 53 Künstler teilgenommen. 47 kommen aus der Region Erlangen, sechs aus Wladimir. Aus den eingereichten rund 100 Arbeiten — alle Techniken waren zugelassen — wählte eine Jury 20 aus, die nun ab 3. September in der Neuen Galerie des Kunstvereins zu sehen sind.
Ergänzend zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Zwar gab es kein Preisgeld — Schulz: „Wir wollten für dieses Thema bewusst keinen dotierten Wettbewerb ins Leben rufen!“ —, aber es wurden von der Jury drei Werke hervorgehoben. Die Arbeiten von Karin Drechsler-Ruhmann, Andreas Klöpsch und Peter Schoppel werden im Katalog besonders gewürdigt.
Zusätzlich zum „Pulverfässer“-Projekt wurde noch eine Gruppenausstellung von Christian L. Hamsea, Reinhold Knapp und Reiner F. Schulz (der sich als Organisator nicht an der Kunstverein-Schau beteiligt hat) organisiert, die unter dem Titel „14/18/14 — Im Westen nichts Neues?!“ vom 21. September bis 11. Januar im Stadtmuseum am Martin-Luther-Platz zu sehen sein wird.
„Pulverfässer 1914/2014“, Neue Galerie des Kunstvereins, Hauptstr. 72. Vernissage: 3. September ab 19 Uhr. Bis 27. September; geöffnet: Di., Mi. und Fr. 15—18, Do. 15—19, Sa. 11—14 Uhr. Internet: www.kunstverein-erlangen.de
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