Künstler im Gespräch
24.09.2012, 00:00 Uhr
Eine Entdeckungsreise in der eigenen Stadt? Die Aktion „Kunst auf der Couch“ hat wieder einmal dazu eingeladen. Und auf dem Flyer, der die „Kunstreisenden“ mit allen nötigen Informationen versorgt, wird das Motto „Offene Haustür“ auch so umrissen. „Unbekannte Orte in Erlangen entdecken, sich auf überraschende Effekte und Begegnungen einlassen“, heißt es da. Zu entdecken gibt es vielerlei. Skulpturen, Acryl- oder Aquarellbilder. Kunst im engeren Sinn, aber dann auch vieles, das zwischen Kunst und Kunsthandwerk angesiedelt ist. Stoffdamentaschen, gehäkelte Kunst, historische Schiffsmodelle, Patchwork, fantastische Kostüme und Wohnideen. Das alles verteilt auf beinahe das ganze Stadtgebiet: Stadtzentrum, Tennenlohe, Bruck, Büchenbach, Eltersdorf und Frauenaurach. Kleiner Tipp des Veranstalters, des Begegnungszentrums Fröbelstraße, das „Bildung Evangelisch“ abgelöst hat: „Bitte verwenden Sie für Ihre Tour unbedingt einen aktuellen Stadtplan und/oder ein Navigationssystem“.
Die kleine Tour

Das Vorhaben, 32 Stationen abzuklappern, kann man getrost über Bord werfen. Soviel Kunst und Begegnung ist für einen Nachmittag zu viel. Stattdessen: die kleine Tour. Eine Auswahl, ganz willkürlich. Erste Station: Schiffstraße 13. Das hat den Vorteil, dass man weder Stadtplan noch Navigationssystem braucht. Wo die Schiff-straße ist, wissen sogar Anfänger. Und Alteingesessene, die in die Kreativszene der Stadt eintauchen oder einfach hinter sonst verschlossene Haustüren schauen wollen, wissen es sowieso. Eine orangefarbene Fahne markiert die Station. Hier stellt Andreas Niemitz zusammen mit Sandra Beck und Markus Sauerbeck aus. Andreas Niemitz ist Architekt, lebt in Nürnberg und ist Mitglied einer Künstlergruppe in Fürth. Aktzeichnen sei seine Leidenschaft, sagt er. Es bilde ein Gegengewicht zu den Architekturskizzen, die er sonst mache. Denn darin hat er irgendwann die Menschen vermisst.
Räume aus einer anderen Zeit
Die Aktbilder sind kleinformatig und passen gut in den Raum gleich neben dem Eingangsflur, wo man von Markus Sauerbecks Popart begrüßt wird. Kleine Räume sind das hier
in den einstöckigen Häusern in der Schiffstraße, aus einer anderen Zeit und irgendwie sehr einladend wie
in einem Puppenhaus. Im nächsten Raum stehen ein Schreibtisch und eine Couch, darüber hängen Sandra Becks Ölbilder, die infolge einer Italienreise entstanden sind.
Zwei Frauen mit dem „Kunst auf der Couch“-Flyer in der Hand kommen herein. Sie heften ihr Augenmerk auf drei Vogelbilder — historische Stiche, die gar nicht Teil der Ausstellung sind, sondern zum Mobiliar gehören. „Das ist der Specht“, sagt Eva Sauerbeck. Sie vertritt ihren Sohn, der wegen einer Verletzung seine Bilder nicht selbst präsentieren kann. „Ach so, ja, der Specht“, nicken die beiden Frauen. Sie haben genug gesehen und verabschieden sich.
Unmittelbar danach betritt das menschliche Pendant der Spechtbilder den Raum. Thomas Specht führt hier seinen nach ihm benannten Verlag, in dem er unter anderem wissenschaftliche Fachbücher, Bierführer und neuerdings auch Reisebeschreibungen herausbringt. Seine Büroräume hat er für die Kunst-Aktion zur Verfügung gestellt. „Seit wir das Fähnchen hinaus gehängt haben, sind schon ganz schön viele Leute gekommen“, sagt er.
Zweite Station: Glückstraße 2. Jetzt wäre doch fast ein Navi nötig geworden. Auf dem Stadtplan hatte sich die Glückstraße einfach versteckt. Sie gibt sich aber schließlich doch noch zu erkennen, zwischen all den Kliniken. Hier hängt das orangefarbene Fähnchen vor einem mehrstöckigen alten Haus. In der Wohnung wird man von einer tiefen Stimme begrüßt. Sie gehört Claudia Bohnsack. An den Wänden hängen ihre Acrylbilder und Zeichnungen, mehrere Mobiles ihres Sohnes Kim schweben im Raum.
Während seine Nixe nebst einem Schiff von Fischen und Wellen blechern umspült wird, gerät man mit Claudia Bohnsack ins Gespräch, über ihre kanadische Herkunft, die Kunst, die Arbeit als Jazztanzlehrerin und dann, vor über 20 Jahren, die Diagnose Multiple Sklerose. Mit dem Malen, sagt sie, habe sie aber dennoch nie aufgehört, das sei ihr ganz Eigenes, das sie antreibt. Auf einer Seite des Raumes steht ein verschlossener Schrank. Sie öffnet die Türen des buddhistischen Hausaltars, lässt sich davor nieder, schlägt mit einem Klöppel auf eine Klangschale und rezitiert ein Mantra.
Dann geht es weiter, hinaus aus dem Zentrum. Jetzt ist das Navi wirklich nützlich. Dritte Station: Kraftwerkstraße 20 in Frauenaurach. Wir sind in der Moderne angelangt. Oder vielleicht doch nur scheinbar? Neben dem Main-Donau-Kanal, wo einmal das Großkraftwerk war, steht ein weitläufiger Flachbau. Hier hat Wolfgang Retzar seine Computerfirma, daneben betreiben er und seine Frau Ilona ihr „Klang-Symphonie-Zentrum“. Im Gebäude und auf dem großen Rasenstück dahinter stellen mehrere Künstler aus. Maria Miller-Gadumer hat Tonstelen aufgebaut und einen „Trauerweg“, ihr geht es um „beseeltes Leben“.
Letzter Akt: Man nimmt Platz auf einer Liege. Wie war das? Überraschende Effekte und Begegnungen? Bei einer Klangschalenmassage versinken Kraftwerkstraße, Glückstraße und Schiffstraße in einem Meer von Klang.
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