Problembaustelle Chemikum: "Mini-BER" in Erlangen

22.5.2015, 10:19 Uhr
So sah das Chemikum im September 2013 aus. Noch immer ist das Gebäude nicht fertig.

© Bernd Böhner So sah das Chemikum im September 2013 aus. Noch immer ist das Gebäude nicht fertig.

Die ersten Rohbauarbei­ten starteten im Frühjahr 2010. 2013 sollte das erste Gebäude des sogenannten Chemikums auf dem Süd­gelände der Universität in Erlangen bezugsfertig sein. Aber es steht noch immer leer.

"Der aktuelle Stand ist, dass wir die Lüftung fertigstellen und weiter tes­ten müssen", sagt Dieter Maußner, Behördenleiter des Staatlichen Bau­amts Erlangen-Nürnberg und dort zu­ständig für den Bereich Hochschul­bau. "In einem Gebäude, in dem mit chemischen Gefahrstoffen gearbeitet werden wird, gelten hohe Sicherheits­auflagen." Die waren nach Ansicht der Experten zunächst nicht gegeben. Maußner kann sich nicht erklären, wie die Angaben in der Studie zustan­de gekommen sind und fordert eine Richtigstellung: "Das Chemikum ist sicher kein Top-Projekt, das billiger geworden ist als geplant."

Die Hertie School of Governance erfasste in einer Datenbank 170 Groß­projekte, die seit 1960 in Deutschland realisiert wurden, darunter 119 abge­schlossene und 51 noch laufende. Bei den aktuellen Baustellen ermittelt die Studie Kostensteigerungen von bislang durchschnittlich 41 Prozent. Öffentliche Großprojekte werden im Schnitt sogar 73 Prozent teurer als geplant. Das neue Chemikum der Uni Erlangen-Nürnberg wählten die For­scher um Genia Kostka, Professorin für Governance von Energie und Infra­struktur, auf Platz eins der "Top Ten" – dank einer angeblichen Kosten­senkung von 46 Prozent. Statt der geplanten 148 Millionen Euro habe das Gebäude letztlich nur 80 Millio­nen Euro gekostet. Die private Hoch­schule stellte ihre Studie "Großpro­jekte in Deutschland – zwischen Ambi­tion und Realität" am Dienstagabend in Berlin vor.

Ende Juli soll die Chemie umziehen

Tatsächlich sieht die Sache in Er­langen anders aus: "80 Millionen Euro waren am Anfang für den Bau ver­anschlagt", sagt Maußner. "Inzwi­schen sind 91,4 Millionen Euro durch einen Nachtrag im bayerischen Haus­halt genehmigt." Derzeit laufe die Inbetriebnahme-Planung. Ende Juli soll der Umzug der Chemie beginnen können. Die Universität will sich nicht äußern; solange das Gebäude nicht übergeben ist, sei das Bauamt zuständig.

Im Internet machen sich derweil viele über das angebliche Top-Projekt lustig. Nutzer "alexmay" schreibt: "Wäre heute der 1. April würde ich sagen, lange nicht so gelacht. Das Gebäude steht seit zwei Jahren unge­nutzt im Wald und verursacht Instand­haltungskosten. Das ist ein Berliner Flughafen im Kleinen."

Auf NZ-Nachfrage räumte die Her­tie School of Governance nun ihren Fehler ein: "Dass im Jahr 2013 eine Bauverzögerung und Mehrkosten von elf Millionen Euro gemeldet wurden, ist den Autoren schlichtweg entgan­gen. Das Projekt hätte als nicht abgeschlossen kategorisiert werden müssen", schreibt Sprecherin Regine Kreitz. "Es ist bedauerlich, dass damit ein Projekt als positives Bei­spiel hervorgehoben wurde, das diese Rolle in der Realität offensichtlich nicht ausfüllt. Die Autoren werden die Arbeit an ihrer Datenbank fortset­zen und selbstverständlich den Fall des Chemikums Erlangen-Nürnberg korrigieren."

Nun soll das Gebäude mit einer Nutzfläche von 10000 Quadrat­metern, bis zum Wintersemester 2015/2016 bezugsfertig sein. Geplant ist zudem ein zweiter, noch größerer Bauabschnitt spiegelbildlich zum ers­ten. Aber ob und wann der gebaut wird, das müssen Wissenschafts- und Finanzministerium erst entscheiden.

Dieser Artikel wurde am 22. Mai um 10.19 Uhr aktualisiert.

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