Produzieren, worauf die Stars ganz scharf sind

9.2.2008, 00:00 Uhr
Produzieren, worauf die Stars ganz scharf sind

© Harald Hofmann

Chris Müller ist sein eigener Chef und hat für sich den Traumberuf gefunden, auch wenn er im Schnitt zehn bis zwölf Stunden an sieben Tagen in der Woche arbeitet, seit vier Jahren keinen Urlaub mehr gemacht und sich das letzte Mal am zweiten Weihnachtsfeiertag Zeit zum Ausspannen genommen hat.

Der 46-Jährige ist leidenschaftlicher Gitarrist, entdeckte einst als Jugendlicher durch die Gitarrenschule von Ricky King die Liebe zu dem sechssaitigen Instrument. 1982 schloss er sich der Gruppe «The Thunder» an, doch drei Jahre später kam ein tragischer Rückschlag.

Großer Schock

Nach einem Konzert in der Neunkirchener Hemmerleinhalle raste bei Igelsdorf ein Betrunkener in die Autos der Musiker, wobei zwei von ihnen getötet wurden. Die Band löste sich auf; es dauerte Jahre, bis die überlebenden Mitglieder den Schock halbwegs überwunden hatten.

Chris Müller, gelernter Industriekaufmann, arbeitete danach als DJ im «Marco Polo» und im «Tiffany» in Erlangen, im «Black Lady» in Dechsendorf und im «Miriam» in Hemhofen. Als er 1991 eine Instrumentalnummer aufnahm, kam ihm die Idee, selbst ein Label herauszubringen.

Zusammen mit Alex Drissl gründete er ein Jahr darauf in Bamberg Crilex Music nach dem Motto: Chris + Alex = Crilex. 1993 folgte die Fusion mit dem Musikverlag «Traffic». Aufgebaut wurde zudem ein Musikmanagement, das später aber wieder ausgegliedert wurde. «Man muss sich auf das konzentrieren, was man kann, und aus Erfahrungen die Konsequenzen ziehen», skizziert Müller seine Unternehmensphilosophie.

Nach dem Start mit der CD «Streets of No return» der Gruppe «The Chat» hatte Crilex mit vielen Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen. Das Urheberrecht sei gerade für Musik sehr kompliziert und werde von Anwälten mit Argusaugen überwacht, erläutert Müller: «Leicht glaubt man sich auf der sicheren Seite - und dann kommt doch ein Anwaltsbrief mit Zahlungsforderungen, die meist in einen langen Rechtsstreit münden.»

Inzwischen kennt Müller die Besonderheiten der Branche, arbeitet mit einem Fachanwalt für Urheberfragen zusammen. Alexander Drissl zog sich 1995 aus dem Musikgeschäft zurück. Chris Müller hatte sich inzwischen zwei Eigenschaften zugelegt, die er für zentral in diesem Markt hält: «Nervenstärke und Durchhaltevermögen».

Der Siegeszug des Internets leitete für das Intependent-Label dann die Wende ein. Es ergaben sich nicht nur neue Vertriebsmöglichkeiten, auch der finanzielle Spielraum stieg durch die Senkung der Promotion-Kosten.

Crilex Music konzentriert sich auf den Mainstream, Country, Schlager und Oldies. Hinzugekommen sind inzwischen die Labels Abema mit dem Schwerpunkt auf volkstümlicher Musik und Crisma, dessen Programmspektrum sehr weit gespannt ist und von Comedy bis Heavy Metal reicht.

Zahlreiche goldene Schallplatten und andere Auszeichnungen zeigen, dass sich die Müller-Media-Group mittlerweile erfolgreich im Haifischbecken der Musikindustrie etabliert hat. In Nashville erhielten Produzent Chris Mike, so der Künstlername von Müller auch als Gitarrist, und der Sänger Rockin’ Roary den «Eagle King Award». Roarys bei Crilex erschienenes «Rockin’ Up The Country» wurde als «Best Independent Single Of The Year» gewürdigt. Mit seinem eigenen Song «(Ghost)-Riders In The Sky» erreichte Chris Mike alias Müller ebenfalls Goldstatus. Ab 1998 wuchs ein weiterer «goldener» Geschäftszweig heran - wiederum zunächst eher unauffällig.

So erwarb Müller, der heute nur noch wenig Zeit für die eigene Musik hat, die Namensrechte der aufgelösten Firma Golden Records aus München, die auf das Herstellen goldener Schallplatten spezialisiert war. Dies erwies sich in Europa als Marktnische. Große Schallplatten- und CD-Firmen wie EMI, Universal oder Sony-BMG bestellen bei Müller die glitzernden Scheiben für Auszeichnungen.

Schnelle Österreicher

In Deutschland muss für Gold der Verkauf von 150 000 Exemplaren nachgewiesen und mit dem Siegel des Phonoverbands beglaubigt sein. Für Platin liegt die Schallmauer bei 200 000 Stück. In Österreich geht es schneller: Gold und Platin gibt es schon für jeweils ein Zehntel der Menge.

Allerdings drehen die großen Labels, die unter anderem mit Raubkopien und illegalen Musikbörsen zu kämpfen haben, heute jeden Euro zweimal um. Da bei einem Hit gleich der ganze Stab der Produktion mit etwa 20 Personen geehrt wird, verzichten die Unternehmen zunehmend auf eine Verleihung.

Dafür entdecken immer mehr Menschen die goldene Schallplatte als Sammlerstück oder Geschenk. Da erhalten dann Mutter oder Großpapa zum Geburtstag ein Golden Record ihres Lieblingslieds: mit eingravierter Widmung, Foto, auf Wunsch hinterlegt mit Samt oder Leder und mit passendem Rahmen. Ein Blick auf die Bestellungen zeigt: Auch mit 70 ist guter alter Rock gefragt, lässt beispielsweise «Another One Bites the Dust» von «Queen» die Augen glänzen und die Herzen höher schlagen.

Abspielen kann man die CDs und Platten nach der Goldbeschichtung nicht mehr, doch als Dekoration für die Wohnung wahlweise Villa sind sie auch bei den Stars beliebt. Wenn die Musikindustrie geizt, lässt man sich die Chartstürmer eben auf eigene Kosten vergolden!

Ein Interessent aus den Vereinigten Emiraten fragte sogar wegen einer Schallplatte in massivem Gold an. Preis: zirka 40 000 Euro. Müller: «Er will es sich überlegen, aber vielleicht muss erst der Ölpreis noch ein bisschen steigen.» SCOTT JOHNSTON