„Queen Victoria hielt große Stücke auf ihn“

13.1.2015, 17:45 Uhr
„Queen Victoria hielt große Stücke auf ihn“

© Repro: Christie’s

Vor 100 Jahren starb der aus Erlangen stammende Maler Carl Haag. Was macht diesen Künstler zu einem bedeutenden Sohn der Stadt?

Walter Karbach: Die britische Queen Victoria hielt große Stücke auf den etwa gleichaltrigen Carl Haag, sie beauftragte ihn mit zahlreichen Bildern, die das Leben der königlichen Familie im schottischen Schloss Balmoral zeigen, und die bis heute zu den Schmuckstücken der Royal Collection gehören. Als Haag 1858 zu seiner großen Orientreise aufbrach, bat ihn die Queen um ein Bild vom Inneren des Felsendoms in Jerusalem, ein berühmtes Bild ist so entstanden. Die Werke Carl Haags erzielen nach wie vor auf dem internationalen Kunstmarkt hohe Preise, die meisten sind in Privatbesitz in Europa und im Nahen Osten.

Haag stammt aus einer Bäcker-Familie. Wie kam er zur Kunst?

Karbach: Carl Haags Vater war Bäckermeister, ebenso der Großvater, und der andere Großvater war Ziegeleibesitzer in Frauenaurach. Der junge Haag hat früh gezeichnet und gemalt, aber dabei immer und auch später das Handwerkliche im Blick gehabt: Den Umgang mit Farben, Papier, Holz. Nach der Volksschule in Erlangen und der polytechnischen Schule in Nürnberg wurde er mit 16 Jahren in die Nürnberger Kunstschule aufgenommen und von deren Direktor Albert Reindel gefördert. Als er mit 24 Jahren nach München zog, war er dort bei Prominenten schnell ein gefragter Porträtist.

Wie prägend war Erlangen und der spätere Wohnort Nürnberg für Haag?

Karbach: Bis zu seinem 14. Lebensjahr lebte Haag mit seiner Mutter Babette und den Geschwistern Conrad, Johanna und Friedrich in Erlangen. Der Vater ist gestorben, als Carl acht Jahre alt war. Er war danach viel bei der Familie seiner Mutter in Frauenaurach, und vor allem dies hat ihn geprägt. Wir kennen einige Zeichnungen aus dieser Zeit. Künstlerisch war Nürnberg von größerer Bedeutung. Hier erwarb Haag das Handwerkszeug, das er wie jeder Maler brauchte, um auszudrücken, was er sah: Menschen, Gesichter, Landschaften, Bauwerke in nahezu fotorealistischer Genauigkeit. Der Helm seines Oberweseler Turmes übrigens ist dem Nürnberger Sinwellturm nachgebildet.

Berühmt wurde Haag durch seine Orientbilder. Welches Bild vermittelte er seinen Zeitgenossen von diesen fernen Ländern und ihren Bewohnern?

Karbach: Ein farbiges, lebendiges, friedliches Bild. Dort, wo Carl Haag war, in Ägypten, im Sudan, in Palästina, in Syrien, im Libanon, sind heute kriegerische Auseinandersetzungen. Auch zur Zeit seiner ersten Orientreise 1858/59, als diese Gebiete noch zum Osmanischen Reich gehörten, gab es unsichere Verhältnisse. Haag interessierte die Lebensweise der Beduinen, er dokumentierte deren Lebensumstände, zeigte sie in Alltags- und Festtagskleidung, malte ihre Zelte und ihre Kamele. In seinem Atelier im koptischen Viertel von Kairo malte er die einfachen Leute ebenso wie die osmanischen Würdenträger. Die britischen Zeitgenossen sahen, wie anders die Menschen im Orient lebten, sie sahen aber auch deren Einbindung in die Kultur des Mittelmeerraumes seit der Römerzeit.

Wie wurde und wird das Wirken Haags, der viele Jahre in London lebte und arbeitete, in Großbritannien eingeschätzt?

Karbach: Anders als in Deutschland ist Carl Haag dort kein Unbekannter. Er war ja nicht nur einer der bedeutendsten Maler Queen Victorias, sondern seit 1860 als britischer Staatsbürger und Mitglied der Royal Watercolour Society ein in bürgerlichen und adligen Kreisen bekannter und geschätzter Mann. Sein orientalisch gestaltetes Londoner Atelier war ein beliebter Künstlertreffpunkt. Leben und Werk Carl Haags werden bis heute nahezu ausschließlich von England aus betrachtet.

Zum 100. Todestag gründet sich — unter Mitwirkung des Stadtmuseums — die Carl-Haag-Gesellschaft. Mit welchen Zielen? Wie wird die Anbindung an Erlangen aussehen?

Karbach: Carl Haag ist am 17. Januar 1915 in Oberwesel am Rhein gestorben. Anlässlich des 100. Todestages gründen Bürger aus Oberwesel und Erlangen, wo er am 20. April 1820 geboren ist, die Internationale Carl-Haag-Gesellschaft. Vordringliches Ziel der Gesellschaft ist es, den Maler Carl Haag in Deutschland bekannt zu machen. Dazu sollen Leben, Werk und Nachlass erforscht werden, eine Biografie soll entstehen und das verstreute Werk in Ausstellungen zugänglich gemacht werden. Entwickelt werden sollen auch didaktische Handreichungen für den Kunst- und Sachunterricht. Da Carl Haag bis heute keine Grabstätte hat, soll in Oberwesel eine geschaffen werden. Da sich dort wie in Erlangen Bilder Carl Haags in den städtischen Museen befinden, bietet sich eine verheißungsvolle Kooperation an, die ihren Höhepunkt zum 200. Geburtstags des Malers haben könnte, im Jahre 2020.

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