Rechter Terror: Veranstaltungen erinnern an den Doppelmord von Erlangen

1.10.2020, 11:00 Uhr
Rechter Terror: Veranstaltungen erinnern an den Doppelmord von Erlangen

© Klaus-Dieter Schreiter

"In dieser Veranstaltungsreihe geht es nicht um einzelne Spinner, sondern um rechte Netzwerke, die all dem entgegentreten, was unserer Stadtgesellschaft wichtig ist: Demokratie, Vielfalt und eine offene Gesellschaft. Wir wollen den Rechten nicht die Straße und nicht den Diskurs überlassen. Denn diese Leute sind bei weitem nicht die Mehrheit der Gesellschaft." Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik ist anzumerken, dass ihm die Veranstaltungsreihe, die morgen mit einer Aufführung des Films "Der Blinke Fleck" über das Oktoberfest-Attentat von 1980 startet (20 Uhr, E-Werk-Clubbühne), sehr am Herzen liegt. Denn "Damals! Und heute?" beschäftigt sich bis zum Jahresende ausführlich mit "rechten Kontinuitäten in Erlangen". Anlässlich der beiden Jahrestage des Münchner Oktoberfestattentates am 26. September 1980 und der Ermordung von Shlomo Lewin und Frida Poeschke in Erlangen am 19. Dezember 1980 soll das Thema rechte Gewalt und das Gedenken ihrer Opfer in seiner lokalen wie auch überregionalen Relevanz diskutiert werden.

Rechter Terror: Veranstaltungen erinnern an den Doppelmord von Erlangen

© Hagen Gerullis

Der, wie OB Janik feststellt, "erste antisemitische Mord in der BRD nach 1945" schockierte vor 40 Jahren die Öffentlichkeit – und sorgte nach der Einschätzung des Autor Ronen Steinke, der am 25. Oktober im E-Werk zu Gast ist, für ein Staatsversagen: "Aber anstatt in der örtlichen Nazi-Szene zu ermitteln – die Wehrsportgruppe Hoffmann, die gerade erst vom Bundesinnenministerium verboten worden ist, hat ihre Zentrale ganz in der Nähe –, verdächtigt die Polizei zunächst das Umfeld des Opfers." Als Täter wurde 1984 Uwe Behrendt, Anhänger der "Wehrsportgruppe Hoffmann", in Abwesenheit verurteilt. Dieser soll aber bereits 1981 auf der Flucht im Libanon Selbstmord begangen haben.

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Eine Schulung zu den Erscheinungsformen und Wirkungsweisen regionaler und internationaler rechtsextremer Themen und Gruppen im Internet findet in Workshops am 2. und 9. Oktober statt.

Am 28. Oktober spricht ab 19 Uhr im Kreuz + Quer Renate Martinez, die das Oktoberfest-Attentat überlebt hat, von ihren Erfahrungen und der Situation der Opfer des Anschlags, der ebenfalls von einem Anhänger der "Wehrsportgruppe Hoffmann" verübt wurde.

Am 8. November hat ein Stadtrundgang, der den Bogen von der NS-Zeit bis in die Gegenwart spannt und rechtsextreme und antisemitische Tendenzen, die man bis heute auch in Erlangen finden kann, thematisiert Premiere. Zum Abschluss der Reihe rücken nochmal die Morde an Frida Poeschke und Shlomo Lewin in den Fokus: Am 20. Dezember wird in der Ladeshalle erstmals in Erlangen der neue Doku-Film von Ulrich Chaussy und Daniel Harrich gezeigt.

Wie ist die Situation heute? "Ich fühle mich als Jude in Erlangen sicherer als in anderen Städte. Doch ein Gefühl der Bedrohung gibt es dennoch. Das gilt aber nicht nur für unsere Gemeinde, sondern auch für andere Minderheiten", sagt Yonatan Amrani, Kantor der Jüdischen Gemeinde. Und Oberbürgermeister Janik ergänzt: "Es gibt selbstverständlich auch in Erlangen Sicherheitsmaßnahmen rund um die Jüdische Kultusgemeinde. Wir dürfen nicht leichtfertig sein."

 

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