Schmerzhafte Jugend
23.11.2013, 00:00 Uhr„Mein Bruder lag mit weit aufgerissenen Augen im Bett. Er war tot. Ich wusste, dass er tot war. Sein Mund stand offen und war mit halb verdautem Mageninhalt gefüllt.“ Die ersten Seiten von Oliver Grafs Debüt-Roman „Fast eine Jugend“ (Sonderpunkt-Verlag, 308 Seiten, 14,90 Euro) sind für den Leser nur schwer zu ertragen. Detailliert berichtet der Ich-Erzähler von einem weiteren Schicksalsschlag in seinem Leben. Nach dem Tod des Vaters stirbt nun auch noch der Bruder. Das Gefühl des Alleinseins, der Leere und des Verlassenseins wird Friedrich fortan auf Schritt und Tritt begleiten.
Oliver Grafs Roman wandelt sich aber nach den ersten schmerzlichen Kapiteln, in denen auch in Rückblenden die Beziehung zwischen den beiden Brüdern Friedrich und Karolus ausgeleuchtet wird und der Unfalltod des Vaters bei einer gemeinsamen Autofahrt an Friedrichs Seite als drohender Schatten über der Szenerie schwebt. „Fast eine Jugend“ wird immer mehr zu einer „Coming-of-Age“-Geschichte.
Die innere Anspannung Friedrichs, der Umgang mit Verlust und mit der Frage nach der eigenen Schuld, rücken in den Mittelpunkt. Hinzu kommt der Konflikt mit Bertram, dem neuen Lebenspartner seiner Mutter. Dabei lockt Graf immer wieder geschickt auf falsche Fährten, erzeugt falsche Erwartungen (nicht zuletzt, wenn plötzlich noch eine Waffe und geheimnisvolle Geldtransfers auftauchen) und Hoffnungen — bei den Protagonisten ebenso wie beim Leser. Zunehmend nehmen die Handlung und die Story Fahrt auf.
Graf beweist in „Fast eine Jugend“ Erzähltalent und eine exzellente Gabe, auch kleine Ereignisse genau und scharf wiederzugeben. Ein Roman, der nach anfänglichen Längen sehr lesenswert wird — und zum Finale noch eine weitere überraschende Wende parat hat.
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