„Sheriff Gnadenlos“ in der weltoffenen Hugenottenstadt?

30.11.2011, 10:20 Uhr
„Sheriff Gnadenlos“ in der weltoffenen Hugenottenstadt?

© Böhner

Als Florim Berisha (37) von seinen Söhnen Avdyl (14), Armand (6) und Amin (neun Monate) erzählt, laufen ihm die Tränen über die Wangen. Er versteckt sein Gesicht hinter den Händen, die Übersetzerin Rama Salihu versteht kaum seine Worte. „Meinen Kindern in der Slowakei geht es schlecht, sie bekommen nicht genügend zu essen“, gibt sie seine gestammelten Worte wieder.

Seit Juli hat der Roma aus dem Kosovo seine Familie nicht mehr gesehen: Seine Frau und die Söhne sind damals aus Erlangen abgeschoben worden (die EN berichteten). Als die Polizei seine Familie abholte, war Florim Berisha gerade nicht in der Flüchtlingsunterkunft — so blieb er hier zurück. Die Slowakei (über dieses Land war er nach Deutschland geflohen) weigert sich inzwischen, ihn aufzunehmen: Deutschland sei für ihn und seinen Asylantrag zuständig, sagen die dortigen Behörden. Und Deutschland wiederum will die Frau und die Kinder nicht haben.

„Die Abschiebung ist rechtswidrig“, sagt Rainer Frisch, der Rechtsanwalt Berishas. „Ehe und Familie stehen nach Artikel 6 des Grundgesetzes unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung.“ Die Abschiebung hätte abgebrochen werden müssen, nachdem klar war, dass der Vater nicht anwesend ist.

Frisch sagt dies alles auf einer Pressekonferenz, zu der der Bayerische Flüchtlingsrat, die Erlanger Ortsgruppe von Amnesty International, mehrere ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer und der Ausländer- und Integrationsbeirat eingeladen haben. Sie alle wollen sich gegen einen Mitarbeiter der Erlanger Ausländerbehörde wehren, den sie auch namentlich nennen. Er versuche systematisch, Flüchtlinge aus Erlangen abzuschieben, sagen sie.

Der Mitarbeiter „trifft Ermessensentscheidungen am äußersten rechten Rand und arbeitet mit allen Tricks, um Flüchtlinge an der Wahrung ihrer Interessen zu hindern. In seiner persönlichen Abschreckungsmission schreckt er selbst vor der Trennung einer ganzen Familie nicht zurück“.

Alexander Thal, der Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrats, hält ihn für einen „Sheriff Gnadenlos“, „für die Arbeit mit Menschen ungeeignet und untragbar für eine Ausländerbehörde“. Bei der Abschiebung der Mutter und der Kinder, die die Polizei durchgeführt hat, sei dieser Mitarbeiter sogar persönlich dabei gewesen, sagt Anwalt Frisch.

Nur ein Beispiel unter mehreren sei der Fall Berisha, versichern die Kritiker bei der Pressekonferenz. Ihr Gang an die Öffentlichkeit sei sorgfältig überlegt. Weil interne Gespräche mit Verantwortlichen der Stadt Erlangen nichts bewirkt hätten, sei nun dieser Weg gewählt worden.

José Luis Ortega, der Vorsitzende des Ausländer- und Integrationsbeirats, bestätigt dies: „Die Vorgänge in der Ausländerbehörde unserer Stadt sind uns schon länger bekannt. Unsere bisherigen Interventionen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich daran etwas ändert.“ Ähnlich hart habe sich der Mitarbeiter auch bei Amina F. (26) aus Aserbeidschan verhalten, sagt Alexander Thal. Die junge Frau, die ebenfalls zur Pressekonferenz gekommen ist, lässt ihre Betreuerin von ihrem Schicksal berichten. Sie ist traumatisiert, psychisch krank und suizidgefährdet, nachdem sie in ihrer Jugend entführt und sexuell missbraucht worden ist.

Nach der Ablehnung ihres Asylantrages hatte sie die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens aus gesundheitlichen Gründen beantragt. Die Reiseerlaubnis zu einem Behandlungszentrum für Folteropfer, in dem ein Fachgutachten noch einmal ihre Traumatisierung bestätigen sollte, verweigerte der Mitarbeiter der Ausländerbehörde.Er hatstattdessen ihreAusweisung beantragt. Amina F. ist nur deshalb noch in Deutschland, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebeverbot für sie erteilt hat.

Der Flüchtlingsrat fordert, dass der Mitarbeiter nicht mehr in der Ausländerbehörde eingesetzt wird und die Mutter und Kinder von Florim Berisha wieder nach Deutschland zurückkehren dürfen.

Erlangens Rechtsreferentin Marlene Wüstner meint zu den Vorwürfen, die Stadt vollziehe nur Bundesrecht. Sie sehe nicht, dass Recht verletzt worden sei. Gleichwohl werde sie die Fälle der Regierung von Mittelfranken zur Überprüfung vorlegen, weil der Stadt fairer Umgang mit diesen Menschen ein großes Anliegen sei.

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