Sozialwissenschaftler: „Fragen sind tendenziös und nicht fair“
31.8.2012, 12:13 Uhr„Ich bin sehr überrascht, dass der OB am Stadtrat vorbei angeordnet hat, dass die Statistiker solch eine Umfrage durchführen sollen“, sagt Florian Janik. Für „höchst unprofessionell“ hält der SPD-Fraktionschef auch den gewählten Zeitpunkt: „Es ist doch sehr fraglich, wie viele Leute man während der Ferien erreicht.“
Ebenso wie Janik hat auch Grüne-Liste-Rat Harald Bußmann erst aus den EN von Balleis’ Plänen erfahren, Bürger (siehe dazu Kasten) noch vor der entscheidenden Sitzung des Kommunalparlaments zur StUB befragen zu lassen. Bekanntlich fällt der Stadtrat am 27. September einen Grundsatzbeschluss zur Zukunft des ÖPNV.
„Ich bin verärgert“, gesteht Bußmann, der sich an zweierlei stört: der OB habe es nicht einmal versucht, „uns bei der Fragestellung einzubeziehen“ und die jetzt verschickten Fragen seien „fast schon manipulativ“.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Nürnberger FAU-Dozent und Sozialwissenschaftler Reinhard Wittenberg, dem die EN die Umfrage vorlegten: „Wie bei manchem Volksentscheid halte ich die Fragestellung für tendenziös und nicht fair.“ Wie im Begleitschreiben, das „völlig in Ordnung ist“, hätte zu den Vorteilen des Verkehrsmittels auch eine Frage gestellt werden müssen.
Aus der Abteilung für Statistik und Stadtforschung, die bei der Umfrage als Absender angegeben wird, erfahren die EN, man fungiere lediglich als Dienstleister; die Fragen habe man vom Bürgermeister- und Presseamt erhalten. Auskünfte zu Aussagekraft und Methodik will Leiterin Sofia Schuster schon allein deshalb nicht beantworten, weil es sich um ein „Politikum“ handle. Sie sagt nur so viel: „Bei uns werden Fragen anders ausgearbeitet.“ Wer also ist für die Erhebung verantwortlich? „Die Fragen entstanden auf Anregung des OB und in Abstimmung mit Bürgermeister- und Presseamt, Referat für Planen und Bauen und der Leiterin des Amts für Recht und Statistik“, so Stadtsprecher Peter Gertenbach. Balleis habe wegen der zentralen Bedeutung des Themas noch vor der entscheidenden Sitzung eine repräsentative Stimmungslage der Bürger haben wollen.
Unterstützung erhält er für diesen Schritt von den Fraktionschef Peter Ruthe (CSU) und Lars Kittel (FDP), die solch ein „Meinungsbild“ begrüßen. Mit beiden ist die Umfrage abgestimmt. Dennoch geben sie zu erkennen, dass sie eine Legitimation der Befragung durch den Stadtrat bevorzugt hätten. Doch, so Ruthe, dafür habe die Zeit nicht mehr gereicht.
Die Fragen, die 1200 per Zufallsstichprobe ausgewählten Erlanger Bürger beantworten sollen, finden Sie hier.
20 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen