Unterwegs im Erlanger Mikrokosmos Taxi

17.2.2016, 18:00 Uhr
Unterwegs im Erlanger Mikrokosmos Taxi

© Foto: Julia Beeck

Eigentlich könnte Adnan Deniz ein Buch schreiben. „Jeder Gast der in mein Taxi steigt, bringt eine einzigartige Geschichte mit“, sagt er. Jeder Tag sei deshalb anders. So sei es schon vorgekommen, dass er morgens noch nicht wusste, dass er abends in Rom sein würde. Aber das sei eher selten, fügt er lachend hinzu. Da hätte der isländische Vulkan, der den gesamten Flugverkehr vor einigen Jahren stillgelegt hätte, seine Finger mit im Spiel gehabt.

Adnan Deniz wächst in Bursa auf, einer der größten Industriestädte in der nordwestlichen Türkei. Deniz ist drei Jahre alt, als sein Vater als sogenannter Gastarbeiter nach Deutschland geht. Nur ab und an kann der Vater die Familie besuchen; Deniz und seinen beiden jüngeren Geschwistern bringt er immer eine Überraschung in einer großen „Kaufhof-Tüte“ mit. „Dieser Namenszug auf der Einkaufstasche war über lange Zeit das einzige deutsche Wort, das mir vertraut war“, erinnert er sich.

Die 70er Jahre in der Türkei sind geprägt von politischen Gewalttaten. Linke Gruppierungen propagieren den bewaffneten Kampf, rechte Gruppen halten dagegen. Schätzungen zufolge sind dabei bis 1980 über 5000 Menschen gestorben. Deniz Mutter macht diese unsichere Situation Angst. Sie möchte mit ihren Kindern die Türkei verlassen und zum Vater nach Erlangen ziehen.

1979 kommt Deniz nach Deutschland. Zunächst lernt er die Sprache in verschiedenen Kursen. An einen erinnert er sich besonders: „Der Kurs der Deutschen Arbeitergewerkschaft war großartig. Rückblickend war das eigentlich ein Integrationskurs. Wir haben nicht nur die deutsche Sprache gelernt, sondern auch zusammen gekocht oder Sport gemacht.“

Mit 17 Jahren fängt er im Bereich der Metallverarbeitung an zu arbeiten. „Eigentlich dachte ich, ich hätte Deutsch gelernt. Aber das Fränkische musste ich erst lernen“, lacht er. Er bedient Maschinen und schleift Metallteile zurecht. Es sei eine sehr harte, sehr schmutzige Arbeit gewesen. „Von morgens bis abends haben wir einen Öl-Wasser-Dampf eingeatmet. Gesund war das sicher nicht, manchmal bekam ich juckende Ausschläge“, sagt er.

Er ist 20 Jahre alt, als sein Vater und seine Mutter mit den Geschwistern wieder in die Türkei zurückgehen. Deniz bleibt in Deutschland und heiratet wenig später. Mit seiner Frau wird er drei Kinder bekommen.

Er entschließt sich einen Taxiführerschein zu machen. „Anfangs habe ich noch in dem metallverarbeitenden Betrieb gearbeitet, bin aber schon jeden Samstagabend Taxi gefahren.“

In der Nacht zu fahren, sei etwas ganz anderes als am Tag. In der Nacht sind die Leute oft betrunken und werden schnell aggressiv. Zu Beginn musste ich viel lernen“, sagt er. Als Taxifahrer müsse man schon einiges schlucken, aber alles brauche man sich wiederum nicht bieten zu lassen, sagt er selbstbewusst.

Eigenes Unternehmen

Kurze Zeit später macht Deniz bei der Industrie- und Handelskammer einen Unternehmerschein und gründet sein eigenes Taxiunternehmen. Einige Zeit engagiert er sich ehrenamtlich im Vorstand der Erlanger Taxigenossenschaft.

„Seit letztem Jahr betreibe ich das Unternehmen zusammen mit meinem jüngsten Sohn. “, erzählt er. Ihm vermittelt er, dass Taxifahren mehr ist als nur Autofahren. Es gilt ein feines Gespür für Menschen und Situationen zu entwickeln, und jeweils angemessen zu reagieren. „Gerade in der Nacht befinden sich Menschen oft in Grenzsituationen. In meinem Auto wurde über den Tod eines Angehörigen oder wegen der Trennung von dem Freund schon bitterlich geweint. Oft entwickelten sich sehr herzensnahe Gespräche. Ich höre zu und hoffe, damit ein wenig zu helfen.“

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