Verschwundene Post: Arbeitssuchende in Erlangen bangen
27.1.2021, 12:28 UhrCornelia Amtmann (Name geändert) ist sauer. Sie ist alleinerziehende Mutter, arbeitssuchend und bezieht Grundsicherung. Im August habe sie kurzzeitig Arbeit gefunden, sei für 350 Euro im Monat bei einer Firma in der Stadt beschäftigt gewesen. Weil sie Geld vom Jobcenter bekommt, war sie verpflichtet, das Arbeitsverhältnis sofort nach Bekanntwerden dort anzugeben. Das hat sie laut eigener Aussage auch gemacht. "Eigentlich hätte ich etwa ein Drittel des Geldes, also 150 Euro behalten dürfen", sagt sie.
Amtmann habe einer Mitarbeiterin des Jobcenters den Arbeitsvertrag übermittelt und wieder zurückgeschickt bekommen. Ein paar Wochen später habe sie die Information erhalten, dass sie ihren Arbeitsvertrag nicht fristgerecht abgegeben habe, die 150 Euro seien deshalb als eine Art Strafzahlung einbehalten worden. "In meiner Situation ist das viel Geld, das ich gut hätte brauchen können. Aber ich konnte nicht beweisen, dass ich den Arbeitsvertrag abgegeben habe."
Antrag der Erlanger Linke
Wäre die Erlanger Linke mit ihrem Antrag im Stadtrat im Herbst durchgekommen, hätte Amtmann dieses Problem nicht gehabt. Vor der Corona-Pandemie konnte man Schreiben für Ämter im Rathaus bei der Poststelle abgeben und umsonst eine Empfangsbestätigung (Kopie mit Eingangsstempel) erhalten. Doch während der Pandemie wird persönlicher Kontakt vermieden und die Post in einen Briefkasten geworfen – eine Empfangsbestätigung gibt es nicht mehr.
Die Linke wollte erreichen, dass Schreiben per Mail als Dokument-Datei oder als Bild der ersten Seite des Dokuments an die Poststelle der Stadt geschickt werden können. Wenn das Schreiben anschließend per Post an die Stadt gesendet oder in den Briefkasten des Rathauses geworfen wird, solle die Stadt den schriftlichen Zugang dieses Schreibens anerkennen, und zwar für den Tag der Absendung der Mail. Damit der Zugang nachgewiesen ist, sollte die Poststelle immer eine Empfangsbestätigung per Mail an die Absenderadresse zurückschicken.
Stadtverwaltung lehnt ab
Die Stadtverwaltung lehnte allerdings ab. In der Begründung hieß es unter anderem: "Eine zusätzliche persönliche Entgegennahme von Dokumenten am Rathauseingang und die Bestätigung des schriftlichen Zugangs hat keinen rechtlichen Mehrwert für die Bürger*innen und ist zudem mit den vorhandenen Personalressourcen nicht darstellbar."
Dass es keinen rechtlichen Mehrwert gibt, stimme so nicht, sagt Sozialpädagogin Cornelia Lumpe von der Kontakt-Stelle für Arbeitslose in Erlangen. "Im Sozialrecht befinden sich die Bürger stets in der Beweispflicht, ihre Mitwirkungspflichten erfüllt zu haben", sagt Lumpe. Im Zweifel drohe die komplette Einstellung der Leistungen. Daher sei eine Empfangsbestätigung in Form einer Kopie des eingereichten Dokumentes, versehen mit einem Stempel, so wichtig. "Gibt es keine Empfangsbestätigung, gibt es auch keinen Beweis, dass die Dokumente abgegeben wurden."
"Sicher keine böse Absicht"
Aus ihrer beruflichen Praxis wisse sie, dass Unterlagen innerhalb der Ämter immer wieder abhandenkommen. "Das ist sicher keine böse Absicht der Mitarbeiter dort. Zwischen Bergen von Papierkram kann das passieren", äußert Lumpe Verständnis. Für Arbeitssuchende sei aber das Resultat, dass sie die Leistungen erst bekommen, wenn sie die Dokumente nachgereicht haben. "Es kann den Betroffenen finanziell richtig weh tun, wenn es zu einer zeitlichen Verzögerung kommt. Da können ein paar Wochen schon dramatisch sein."
Dass dieses Thema keine Eintagsfliege ist, wird durch eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit an die Jobcenter deutlich. Im Wortlaut heißt es in dem Schreiben vom 20. Juni 2018: "Es gibt derzeit keine gesetzliche Verpflichtung der Jobcenter zur Ausstellung einer Eingangsbestätigung. Dennoch ist das Verlangen nach Eingangsbestätigungen regelmäßig Thema von Beschwerden und parlamentarischen Anfragen. Das Ausstellen solcher Eingangsbestätigungen, zumindest auf Wunsch der Kundinnen und Kunden sowie für fristwahrende Schreiben wie Widersprüche und Anträge, wird seitens der Bundesagentur für Arbeit für sinnvoll erachtet."
Kundenfreundlichkeit und damit verbunden die Kundenzufriedenheit sollten gesteigert werden. "Das Ausstellen von Eingangsbestätigungen in bestimmten Fällen unterstützen dieses Ziel", so die Bundesagentur für Arbeit.
Vorteil gibt es während Corona nicht
Auch Gudrun Bußmann, Sprecherin des Sozialforums Erlangen, appelliert an die Stadtverwaltung, die Sichtweise zu ändern. Bußmann hat 40 Jahre lang hauptamtlich in einem Frauenhaus gearbeitet. "Dabei habe ich Tausende Frauen zum Sozialamt begleitet", sagt Bußmann. Ungezählte Male habe sie erlebt, dass abgebebene Unterlagen verschwanden und durch die Ämter noch einmal angefordert wurden. "Dann war es sehr von Vorteil, dass ich die Abgabe persönlich bezeugen konnte." Doch diesen Vorteil gibt es während Corona nicht.
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