Vierbeiner auf gefährlicher Mission
28.8.2020, 18:35 UhrÜbung macht den Meister. Das ist dem Belgischen Schäferhund Scharik klar. Mit großem Vergnügen macht er sich auf die Suche nach Stephan Rehm – der eigens für ihn eine vermisste Person mimt.
Wie gefordert, findet Scharik den Mann schnell und setzt sich bellend vor ihn. Für sein Frauchen Beate Pohlmann wäre das im Ernstfall das Zeichen dafür, dass ihr Hund einen lebenden Menschen in einer schwierigen Situation aufgefunden hat. Der fünfjährige Scharik ist das, was man einen Trümmerhund nennt. Vor kurzem erst hat der Vierbeiner seine Zulassungsprüfung wie jedes Jahr erneut absolviert.
Dass Scharik Stephan Rehm – Schutzhundetrainer des Baiersdorfer Schäferhundvereins – erfolgreich gefunden hat, ist das Ergebnis von jeder Menge Training. Der Hund musste lernen, auf weite Entfernung anweisungsgemäß zu agieren. Denn als oberste Regel für einen Trümmerhundeführer gilt, dass er sich nicht selber in Gefahr bringen darf, also einem gefährlichen Terrain fernbleiben muss. "Bei einem Einsatz muss man sich bewusst sein, dass der Hund unter Umständen verunglückt und nicht zurückkommen kann", sagt Beate Pohlmann nüchtern.
Für Scharik ist es ein tolles Spiel, das dennoch Menschenleben retten kann. Bei einem Einsatz in einem Steinbruch bei Ebermannstadt, wo seit drei Tagen ein Mann als vermisst galt, setzte die Rettungshundestaffel Forchheim zuerst Hunde ein, die auf die Suche in der Fläche trainiert sind. Als das Gelände schwer zugänglich wurde, kamen Vierbeiner zum Zug, die auf Suche in Trümmern spezialisiert sind.
Als in Bad Reichenhall eine Sporthalle wegen der Schneelast eingestürzt war, kam die Rettungshundestaffel ebenso zum Einsatz wie zusammen mit einer Katastrophen-Einsatzgruppe in Beirut.
Die Anfangsübungen zeigt Pohlmann mit Schariks Nichte, der einjährigen Peaches. Die schlaksige Hundedame darf mit einem Gummiball spielen, den Pohlmann weit ins Gelände wirft. Als schlauer Hund bringt Peaches ihn zurück, damit er nochmals geworfen wird. Doch Pohlmann stoppt und hält das Gummiobjekt für das Tier erkennbar fest in der Hand. "Da belle ich mal, dass ich es haben will", glaubt man Peaches Miene abzulesen.
Und genau das ist der gewünschte Effekt. Wie die berühmten Pawlow’schen Hunde verbindet sie den Wunsch mit dem Menschen, der ihn erfüllen kann. Irgendwann im Training überträgt sie das Muster vom Frauchen auf andere Menschen. "Deshalb brauchen wir bei der Ausbildung gute Helfer, die sich verstecken und wenn sie gefunden werden, mit dem Hund das vertraute Spiel spielen – bis das auch ohne Spielzeug funktioniert. Sie müssen begreifen, was sie suchen müssen", erklärt Pohlmann.
Betrunkene sind ein Problem
So ganz nebenbei übt sie mit ihren Hunden das Laufen auf ungewöhnlichen Untergründen, seien es Gittertreppen oder schmale Balken. Das Benutzen einer Leiter ist einem Hund eigentlich fremd. Doch eine zuerst geschlossene Hürde, aus der mit der Zeit Bretter gezogen werden, macht es dem Tier leichter. Dem Hund wird dieses Gerät immer vertrauter, und nach einiger Zeit überwindet er es und schafft das am Ende auch mit Leitersprossen.
Eine Schwierigkeit beim Einsatz ist das ungewisse Verhalten einer gesuchten Person. Damit sie nicht in Panik gerät, darf sie der Suchhund keinesfalls berühren. Er darf aber auch nicht aggressiv reagieren, wenn ihn sein Gegenüber bedroht. "Besonders schwierig ist es, Hunde an Alkoholgeruch zu gewöhnen. Sie mögen ihn gar nicht", nennt Pohlmann eine weitere Erschwernis, die besonderer Übung bedarf. Denn alkoholisierte Personen sind nicht selten in einer hilflosen Lage.
Erst 2015 ist Pohlmann zur Rettungshundeausbildung gekommen. Durch eine Freundin, die durch den Marktstand der Forchheimer Hundestaffel auf eine Trainingsmöglichkeit für ihren Hund aufmerksam wurde. Pohlmann begleitete sie und übernahm bald die Rolle einer Versteckerin. Von da aus dauerte es nicht lange, bis die Hundeliebhaberin sich auch ein ausbildungsfähiges Tier zulegte – Scharik. "Jedes Tier kann suchen. Wichtig ist die Nase. Aber Scharik ist da ein Naturtalent."
Das fiel ihr auf, als sie mit der Forchheimer Trainerin Jule Waas an einem Schneekurs teilnahm. Waas vermittelte Hund und Frauchen danach an Walter Fretschner. In Rossthal bildet dieser seit Jahren Rettungshunde aus und verfügt hier über ein besonderes Gelände samt Trümmerkegel und diverser Geräte.
Am Wochenende geht es nach Malchin, zum Trainingsgelände des Bundesverbands Rettungshunde. Anfang September steht der Böhmerwald an der österreichisch-tschechischen Grenze im Terminkalender. "Wegen möglicher Einsturz- und anderer Gefahren sind gute Trainingsgelände selten", erklärt Pohlmann die weiten Fahrten. Als besonders spannend hat sie die Sucharbeit in einer halbleeren Industriehalle in Erinnerung, die für die Hunde eine besondere Herausforderung gewesen ist.
In der 30-köpfigen Forchheimer Hundestaffel ist Pohlmann nicht die Einzige mit einem Trümmerhund. Seit dem vergangenen Sonntag gibt es insgesamt fünf geprüfte Vierbeiner. "Das ist in Bayern einzigartig."
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