Stadtarchivar meldet sich zu Wort
Wie umgehen mit „vergifteten“ Namen in Erlangen?
11.1.2022, 12:30 Uhr„Vergiftete“ Straßennamen wie Erwin-Rommel-, Haber- oder Hindenburgstraße sowie belastete Benennungen wie beim universitären Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht stehen für einige Beispiele von Benamungen, die wegen ihrer Namensgeber umstritten sind. Mit diesem Aspekt der Erinnerungskultur beschäftigt sich seit November und bis zum 1. Februar die öffentliche Ringvorlesung „Umstrittenes Gedenken – Zur Problematik der Benennung von Straßen und akademischen Institutionen“, die von der Arbeitsgruppe Erinnerungskultur der FAU konzeptioniert wurde und jeweils dienstags ab 18 Uhr in der Aula im Erlanger Schloss stattfindet – am 11. Januar 2022 referiert Prof. Christoph Safferling die Rolle des (angeblichen) Erlangen-Retter Werner Lorleberg. Ein Gastbeitrag des Leiters des Stadtarchivs, Andreas Jakob, fiel dabei etwas aus dem Rahmen.
Für das Hans-Liermann-Institut hat dessen Leiter Prof. Heinrich de Wall in dieser Zeitung unlängst „Entwarnung“ gegeben. Er sagte: „Dass Liermann ein Befürworter oder Parteigänger des Nationalsozialismus gewesen wäre oder sich an dessen unsagbaren Verbrechen beteiligt hätte, darauf habe ich keine Hinweise gefunden. Im Gegenteil findet sich in seinen Personalakten verklausulierte Kritik an seinem mangelnden Einsatz für den Nationalsozialismus.“ Ob diese Sichtweise dauerhaft trägt, ist abzuwarten.
Für den Arbeitskreis Straßennamen des Stadtarchivs Erlangen und seine Strategie zum Umgang mit umstrittenen Straßennamen berichtete im Rahmen der Ringvorlesung der Leiter des Stadtarchivs, Archivdirektor Andreas Jakob am Beispiel der Ludwig-Sand-Straße und der Haber-/Immerwahrstraße im Bereich der Technischen Fakultät in der Erlanger Südoststadt. Während der Elektrochemiker und spätere Nobelpreis-Träger Fritz Haber wegen seiner Befürwortung und Unterstützung des Gaseinsatzes im Ersten Weltkrieg schlecht beleumundet ist, gilt seine Ehefrau und überzeugte Pazifistin Clara Immerwahr als vorbildlich. Eine durchgehende Benennung der Straße in Clara-Immerwahr-Straße liegt also nahe.
Nach "Wüstenfuchs" benannt
Ein anderer Straßenname in der Südstadt bereitet der Universität aber ebenso großes Unbehagen – der der nach dem Panzergeneral und „Wüstenfuchs“ benannten Erwin-Rommel-Straße. Den Wunsch, diese Straße umzubenennen hatte der Präsident der FAU, Professor Joachim Hornegger bereits im Frühjahr letzten Jahres an Oberbürgermeister Florian Janik herangetragen, Vorschläge für Umbenennung der Erwin-Rommel-Straße (dessen Rolle als Lieblingsgeneral Hitlers und seiner angeblichen Nähe zum Widerstand bis heute umstritten ist) hatte das Stadtarchiv kurz darauf gemacht.
Darunter findet sich auch die 1872 in Kentucky geborene Dixie Lee Bryant. Diese zog im Herbst 1901 nach Deutschland, um ein Auslandsstudium zu beginnen. Von 1901 bis 1902 studierte sie erst in Heidelberg, anschließend wechselte sie an die Universität Erlangen, wo sie Geologie (bei Hans Lenk) und Botanik studierte. Sie promovierte 1904 in Geologie und war die erste Frau, die an dieser Universität in Geologie promovierte – eine insofern also herausragende Persönlichkeit der Friedrich-Alexander-Universität.
Zuständigkeit der Stadt
Nach solch konkreten Vorschlägen wurde der Archivdirektor aber auch grundsätzlich. Er betonte - „bei allem Respekt für die Arbeitsgruppe Erinnerungskultur der FAU“ - dass für die Benennung und Umbenennung von Straßen ausschließlich die Stadt Erlangen zuständig sei, deren Erkenntnisse also bestenfalls als Anregung für die Arbeit des Arbeitskreises Straßennamen des Stadtarchivs dienen können.
Er verdeutlichte aber auch, dass Umbenennungen nicht so einfach seien. Straßennamen, so die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben, sollten möglichst klar und einprägsam sein und aus datentechnischen Gründen aus höchstens 25 Zeichen einschließlich der notwendigen Zwischenräume bestehen, allein der Name „Friedrich-Alexander-Universität“ musste auf die „Friedrich-“, die „Alexander-“ und die „Universitätsstraße“ verteilt werden. Auch wenn Verdienste verstorbener Personen aus neuer Zeit durch eine Straßenbenennung gewürdigt werden sollten, seien noch lebende Angehörige möglichst zu hören, Eingriffe in das Namens- und Persönlichkeitsrecht seien auch durch Benennungswünsche nicht gerechtfertigt. Auch hätten Anwohner ein subjektives Recht darauf, dass die Gemeinde bei der Namensgebung ihre Interessen mit abwägt, referierte Jakob entsprechende Vorschriften. Bei der Verfolgung dieser Zwecke habe die Gemeinde demnach unter Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit die für die Umbenennung sprechenden Gründe mit dem Interesse der Anwohner an der Beibehaltung des bisherigen Straßennamens abzuwägen, da diese sich auf den Namen eingestellt und ihn zum Anlass für Dispositionen gemacht hätten.
Straßennamen, so Jakob, transportierten Geschichte (wie am Beispiel Friedrichstraße), bei vielen Personen „stritten“ aber auch eine positive oder auch negative Lebensleistung miteinander, was die Benennung erschwere. Keine Lösung hingegen sei es, Straßennamen zu entpersönlichen, beliebige Namen zu wählen. So zerstöre man die eigene Geschichte.
Zwar hätten unter den gegenwärtig etwa 975 Straßennamen 378 einen mit Personenbezug, problematisch seien aber nicht nur Personennamen. Auch geografische Namen, wie „Bohlenplatz“ (im 18. Jahrhundert „Klein-Polen“) und in der Sebaldussiedlung Namen aus den einstigen deutschen Ostgebieten seien oft problematisch, ferner Namen, die Rassismusvorwürfen ausgesetzt seien, wie die „Mohren-Apotheke“ oder das ehemalige Gasthaus „Mohrenkopf“ in der Schiffstraße. Im Archiv - so Jakob als „Generalkritik“ an der Ringvorlesung - gebe es längst umfangreiche Ordner die zeigten, dass die Diskussion zum Teil über dieselben Namen schon vor 40 oder mehr Jahren geführt wurde, vor allem um die Hindenburgstraße, den Lorleberg- und den Langemarckplatz oder die Agnes-Miegel-Straße. Und jedes Jahr würden mehrere Anträge gestellt, Straßen umzubenennen.
Dabei sei die Rechtsgrundlage eindeutig und gebe dem Archiv keine Möglichkeit, Dritte, etwa die FAU, am Verfahren der Verwaltung zu beteiligen. Die Universität und ihr Lehrkörper täten also gut daran, sich auf „hauseigene“ Benennungsprobleme zu beschränken. Jakob abschließend: „Damit soll aber nicht die Diskussion abgewürgt werden. Wie der Auftrag der Stadt an das Stadtarchiv zeigt, besteht Interesse an einem kompetenten Umgang mit der Geschichte.“ Eine Sonderstellung falle der FAU deswegen aber nicht zu.
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