Zu Gast in der Handschuh-Manufaktur in Erlangen
6.2.2016, 13:00 UhrWer Jürgen Pfeiffer über eine Holztreppe in die alte Werkstatt folgt, kann sich gut vorstellen, wie geschäftig es hier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuging, wie ein Dutzend Handschuhmacher Felle zurechtschnitt und die Nadeln der Nähmaschinen in das Leder ratterten. Inzwischen steht Pfeiffer alleine inmitten der Werkstatt.
Von einst 60 Angestellten in der Erlanger Filiale und sieben Geschäften von Nürnberg bis nach Konstanz ist nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Der letzte angestellte Handschuhmacher ging vor über 20 Jahren in die Rente, nun finden sich industriell gefertigte Handschuhe in den Auslagen. „Die Zeiten, in denen man mit handgefertigten Handschuhen großes Geld machen konnte, sind vorbei“, sagt Jürgen Pfeiffer. Im Laden gibt es heute ausgefallene Überzüge für Fahrradsättel, Reisegepäck, Regenmäntel, Accessoires und vieles mehr. Maßgefertigte Handschuhe gibt es nur noch auf Wunsch.
Auf das Jahr gerechnet, sind es nur noch 20, 30 Paar Handschuhe, die Pfeiffer herstellt. Oft sind es Sonderanfertigungen, manchmal auch Liebhaberstücke. Der 75-Jährige nimmt ein Stück Leder und legt sein hölzernes Lineal an — das Lineal ist noch 25 Jahre älter als er selbst und trägt den Schriftzug ,Paris‘. Das Handschuhmachen ist eine Tradition, die hugenottische Flüchtlinge nach Erlangen gebracht hatten. Die Begriffe des Handwerks stammen allesamt aus dem Französischen.
Einer der Letzten seiner Art
Pfeiffers Schere fährt durch ein Stück schwarzes Haarschafleder, „travers“, erklärt er, „also der Breite nach“. Er streicht über sein Material. „Jedes Fell ist anders, hat einen anderen Zug.“ Handschuhe in Größe 7 3/4 werden es diesmal, für einen Kunden, der an einer Hand fünf, an der anderen Hand aber nur noch vier Finger hat. Wessen Finger besonders breit, lang oder einfach nur anders sind, der findet hier einen passgenauen Handschuh. Oft reicht Jürgen Pfeiffer schon ein Blick auf die Hände seiner Klienten, um zu wissen, welche Größe es letztendlich wird.
Routiniert zieht er das Leder über die Tischkante in die Länge. Passt die Vorarbeit, leiert später nichts aus. Die Handgriffe hat er mit 14 gelernt: Sein Vater kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben, die Mutter nahm ihn aus der Schule. „Das hat mich nicht gegrämt“, sagt Pfeiffer. „Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, möchte ich’s nicht anders gehabt haben. Das war mein Leben.“ Mit 19 übernahm er den Betrieb und führte ihn ein halbes Jahrhundert lang.
An drei Vormittagen pro Woche und jeden Samstag ist er noch in seiner Werkstatt. Pfeiffer platziert die aufeinander gelegten Paare auf der Handhebelpresse und stemmt sich mit vollem Gewicht in die Maschine. „Bis 80 könnt ich mir’s vorstellen: Wenn Gott mir meine Gesundheit lässt.“
Traurig ist er nur über wenig. Dass das Geschäft mit den Handschuhen schon in den 1950er Jahren nachließ, als die billigen, italienischen Handschuhe auf den Markt kamen, dass aus sieben Geschäften eines wurde, dass der Laden in der Altstadt „vor vielen Jahren von der 1A Geschäftslage“ profitierte, und die 1A Geschäftslage heute deutlich weiter im Süden liegt: „So ist es halt.“
Das operative Geschäft hat Pfeiffer an seine Schwiegertochter Anette abgegeben. Jetzt versucht sie sich am Spagat zwischen Innovation und Tradition und manchmal fragt sie sich warum. „Ich probiere jede Menge Ideen aus, aber es kauft keiner: Die Kunden rennen Filialisten hinterher oder bestellen online.“
Der Mut verlässt sie deswegen noch lange nicht. An der Innentür eines alten Schranks in Jürgen Pfeiffers Werkstatt hängt ein Spruch: „Alles ist schwierig, bevor es leicht wird.“ Anette Pfeiffer hofft, dass es für sie irgendwann auch leicht wird. Oder wenigstens leichter.
Sie stand bereits vor der Entscheidung, ob sie den Laden schließen und die Tradition enden lassen oder es doch noch mal probieren soll. Sie entschied sich, das Geschäft weiterzuführen. Steckte Geld in den Laden, baute um, lernte die Farbe alter Ledertaschen wieder aufzufrischen, um einen neuen Service anbieten zu können. Sie ist überzeugt davon, dass das Geschäft eine Zukunft hat. „Ich habe immer noch den Glauben daran“, sagt die 36-Jährige. „Ich will es schaffen.“
Anlässlich des 140. Jubiläums findet zwischen dem 6. und 13. Februar eine Verlosung statt. Kunden haben dabei die Chance auf Rabatte zwischen 10 und 30 Prozent.
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