Erst Klimawandel, dann Corona: Bayerns Holzberge wachsen immer höher

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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12.6.2020, 17:42 Uhr

Den nördlichen Steigerwald in seiner jetzigen Form hat Christian Göttfert fast schon aufgegeben. "Das Waldbild wird sich gravierend verändern. Bis Ende des Jahres wird sich der Großteil der Kiefern verabschiedet haben, die Fichten frisst der Käfer. Mit einem Wirtschaftswald wird das hier wenig mehr gemein haben, wenn das so weitergeht. Dann wachsen hier Schwarzdorn, Brombeeren und verschiedene Beihölzer, aber keine Bäume mehr", meint der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft Neustadt/Aisch-Uffenheim.

Die Waldbesitzer in seiner Region hat es heftig erwischt. Fielen der Trockenheit und dem Borkenkäfer im Jahr 2018 noch 50.000 Festmeter Holz zum Opfer, so waren es 2019 bei den Mitgliedern der Forstbetriebsgemeinschaft gewaltige 120.000 Festmeter. "Und dieses Jahr wird es wohl noch schlimmer", prognostiziert Göttfert.

"Absatzmärkte sind komplett zusammengebrochen"

Seit vergangenem Jahr wird der Markt extrem von Schadholz überschwemmt, die Preise vor allem für Nadelholz sackten gewaltig in den Keller. Und nun kommt auch noch die Coronakrise hinzu. "Die Absatzmärkte in Italien, im Mittelmeerraum oder in Asien sind auf einen Schlag praktisch komplett zusammengebrochen. Die Sägewerke sind total vollgelaufen. Da geht fast nichts mehr, Rundholz kann kaum mehr angenommen werden", verdeutlicht Robert Morigl, Leiter des Referats Holzwirtschaft, Forstvermögen, Forsttechnik im Bayerischen Forstministerium.

Für den Festmeter Fichtenholz bekommen Waldbesitzer derzeit noch 25 bis 35 Euro. "Wir waren auch schon mal bei 100 Euro", sagt Morigl. Der Preisverfall bedeutet, dass die Forstwirtschaft vielerorts zum Draufzahlgeschäft wird. "Generationen haben diesen Wald aufgebaut. Doch jetzt ist die Arbeit von 80 bis 120 Jahren defizitär. Die Kosten der Aufarbeitung übertreffen bei etlichen Waldbesitzern die Einnahmen", erläutert Morigl. Die Folge: Viele Waldbesitzer resignieren. "Die machen einfach nichts mehr. Sie lassen einfach alles im Wald stehen", sagt Göttfert.

"Ich habe auch keine Lösung", räumt Morigl ein und appelliert an die Waldbesitzer noch ein paar Jahre durchzuhalten. Denn das einzige Mittel gegen die Krise ist der Waldumbau von anfälligen Kiefern- und Fichten-Monokulturen hin zu einem klimaresistenteren Mischwald. Doch dafür braucht man viel Geduld. Die Bayerischen Staatsforsten bauen ihre Wälder bereits seit mehr als 30 Jahren um. "Wir haben knapp die Hälfte - nämlich insgesamt 80.000 Hektar - Fichtenreinbestände in klimastabile Mischbestände umgewandelt", sagt Staatsforsten-Sprecher Jan-Paul Schmidt. Bis zum Jahr 2030 will man fertig sein mit dem Waldumbau, fünf Jahre früher als ursprünglich geplant.

Tannenoffensive der Staatsforsten wird verstärkt

Vor allem die Tannenoffensive soll verstärkt werden, gelten diese Nadelbäume doch als deutlich trockenheitsresistenter als die flach wurzelnden Fichten. Der Tannenanteil im Staatswald soll von derzeit zwei auf sechs Prozent erhöht werden, im Gebirge sogar auf mehr als zehn Prozent. Neben Eichen sollen auch vermehrt Elsbeeren, Flatterulmen und Kirschen gepflanzt werden. Auch mit Atlas-, Libanonzedern oder Baumhaseln wird experimentiert.

Der Borkenkäferbefall ist zwar derzeit etwas weniger schlimm als im verheerenden vergangenen Jahr, aber doch gravierender als der fünfjährige Durchschnitt. "Vor allem der niederbayerische Raum um Passau und Oberfranken machen mir Sorgen, besonders in Richtung Frankenwald", sagt Morigl. Dazu kommen gewaltige Schäden durch den Februarsturm "Sabine". Bayernweit fielen dem Wind 1,8 Millionen Festmeter Holz zum Opfer, vor allem das Allgäu und Niederbayern traf es hart.

Damit sie das viele Schadholz nicht auf einen Schlag zu Schleuderpreisen auf den Markt schmeißen müssen, haben die Staatsforsten 21 Nasslager. Dort werden die Baumstämme hoch aufgeschichtet und ständig bewässert, um sie über mehrere Monate konservieren zu können. Die Staatsforsten haben eine Gesamtlagerkapazität von 1,8 Millionen Festmetern, davon 1,4 Millionen in eigenen Nasslagern. Die Kapazität soll in den kommenden Jahren deutlich ausgeweitet werden. "Ich predige seit Jahren, dass man diese Methode auch im Privatwald verstärkt einsetzen sollte. Aber da sind Nasslager noch nicht sehr beliebt", sagt Morigl.

Mit 40 Prozent fördert der Freistaat den Grunderwerb für ein solches Lager, der Aufbau der Anlage wird mit 80 bis 90 Prozent bezuschusst. Auch eine rasche Genehmigung stellt Morigl in Aussicht. "Bald wird es Nasslager geben von großen Kommunen und Waldbesitzervereinigungen", ist er überzeugt.

Doch für die Forstbetriebsgemeinschaft Neustadt/Aisch-Uffenheim ist ein eigenes Nasslager kein Thema. "Wir haben viele Waldbesitzer, die da Kleinstmengen von fünf bis 30 Festmetern anliefern würden. Dafür muss aber immer jemand vor Ort sein. Die Personalkosten könnten wir nicht stemmen", betont der FBG-Vorsitzende Christian Göttfert. Wenn die Staatsforsten allerdings ein Nasslager in der Gegend anlegen und betreiben würden, das sie auch für Privatwald-Besitzer öffnen, würde man das natürlich sehr begrüßen. Noch gibt es solche Nasslager nicht in der Region.

Kein Geld für Bayerns Staatshaushalt

Die Holzmarkt-Misere ist auch eine Belastung für den bayerischen Staatshaushalt. Seit ihrer Gründung im Jahr 2005 haben die Staatsforsten knapp 650 Millionen Euro Gewinn an den Freistaat abgeführt. "Aktuell sind die Voraussetzungen dafür leider nicht mehr gegeben. Allein im Geschäftsjahr 2019 haben die Folgen des Klimawandels durch Schädlingsbekämpfung, höhere Ernte- und Logistikkosten, reduzierten Einschlag und Holzentwertung 80 Millionen Euro gekostet", sagt Staatsforsten-Sprecher Schmidt.

Momentan sei die Lage im Staatswald zwar angespannt, man habe sie aber im Griff. Jährlich werden 200.000 Suchstunden und mehr als zehn Millionen Euro in die Borkenkäfersuche investiert. "Ein neues Waldsterben wird es im bayerischen Staatswald nicht geben", ist Schmidt überzeugt, dem wirke der Umbau zu klimastabilen Mischwäldern entgegen. "Mittelfristig sehen wir die Zukunft sogar sehr positiv. Der Holzbedarf ist da - und wenn unsere Waldschutz-Maßnahmen erfolgreich sind, werden wir auch bald wieder gutes Holz zu fairen Preisen verkaufen können", glaubt Schmidt.

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