Es kratzt und zwickt: Polizisten klagen über neue Uniform

21.9.2018, 12:55 Uhr
Es kratzt und zwickt: Polizisten klagen über neue Uniform

© Foto: Sven Hoppe/dpa

Sie zeichnet sich durch mehr Funktionalität, eine bessere Passform und einen sehr guten Tragekomfort aus. So sprach Innenminister Joachim Herrmann im Dezember 2016 über die neue, blaue Uniform. Doch seit Monaten reißt die Kritik darüber unter den Ordnungshütern nicht ab - dafür aber reißt der Stoff der brandneuen Einsatzkleidung.

Im Netz und in den Dienststellen kursieren Erfahrungsberichte, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten sind. Etwa diese, die sich laut Deutscher Polizeigewerkschaft (DPolG) tatsächlich so zugetragen haben soll: Eine Streife in Oberbayern hielt für eine Routinekontrolle ein Fahrzeug an. Dabei müssen Einsatzkräfte sich durchaus bücken, oder mal in die Knie gehen. Bei einer solchen Bewegung riss bei einem der Polizisten die Hosennaht am Gesäß, die Unterwäsche war zu sehen. Dass dem Mann daraufhin der Kragen platzte, ist ihm nicht zu verdenken.

Reißverschlüsse zu kurz

Auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) klagen immer mehr Mitglieder über die schlechte Qualität des neuen Textils. Auch sie berichtet über missliche Situationen. So geben männliche Beamte oft wieder, dass die Reißverschlüsse an Hosen entweder zu kurz oder zu weit oben angesetzt sind. "Bei angelegtem Einsatzgürtel ist es fast unmöglich, schnell das kleine Geschäft zu verrichten", heißt es in der Oktoberausgabe des GdP-Mitgliedsheftes.


Neue Uniform: Diskussionen über schwache Qualität


Die Liste der Mängel ist lang, blickt man auf die zahlreichen Zuschriften an beide Gewerkschaften. So ist die Stoffqualität der Sommerhose ein großes Thema: Sie ist "extrem warm und schweißtreibend". Man komme sich vor "wie in einer Plastiktüte". Sie klebt an den Beinen und im Schritt. Das Textil kratzt, nach wenigen Waschvorgängen schwindet schon die Farbe. Am dunkelblauen Diensthemd splitterten schon bald die Knöpfe, manche Damen-Uniformen sitzen schlecht. Auch die neuen Mützen fliegen Beamten schneller vom Kopf, die alte saß dagegen wie angegossen. Der grünen Uniform trauern viele hinterher. Doch auf die kann keiner mehr zurückgreifen, die gebrauchte Dienstkleidung ist längst zu Taschen und Rucksäcken verarbeitet worden.

Viele Beschäftigte machen mit der neuen Uniform derzeit täglich schlechte Erfahrung, so Rainer Nachtigall, DPolG-Vorsitzender in Bayern. "Viele Kollegen finden die Qualität der ausgelieferten Uniform schlechter, als die aus dem Trageversuch vor der Einführung", sagt er. Damals zogen 500 bayerische Beamte versuchsweise Uniformen an, in die österreichische Polizisten schlüpfen. "Die Dienstkleidung in unserem Nachbarland stellt auch Schöffel her. Hier ist es ein anderer Hersteller", sagt Helmut Frey, Vorsitzender der GdP in Mittelfranken.

In Österreich hätten sie auch eine "starke Qualitätssicherung", ergänzt Rainer Nachtigall von der DPolG. "Die Stoffe für die Uniform werden auf dem freien Markt bestellt, die günstigsten werden gekauft. So kommen unterschiedliche Qualitäten zusammen", erklärt Nachtigall. Er fragt sich: War die Ausschreibung nicht gut genug? Oder entspricht die Ware einfach nicht den Vorgaben der Ausschreibung? Der Freistaat hat für die neuen Uniformen jedenfalls tief in die Tasche gegriffen. Kostenpunkt: 40 Millionen Euro.

Beschwerdestelle eingerichtet

Angesprochen auf die Kritik, verweist das bayerische Innenministerium auf das Qualitätsmanagementverfahren, für das ihr Kooperationspartner, das Logistikzentrum Niedersachsen (LZN), zuständig ist. "Durch regelmäßige Qualitätskontrollen beim Wareneingang soll eine fehlerfreie Auslieferung an den Endkunden sichergestellt werden. Bei allen Bekleidungsstücken wurde und wird die Einhaltung der technischen Leistungsbeschreibungen im Rahmen des Qualitätsmanagements überprüft", heißt es in einem Schreiben.

Die Staatsbehörde nehme die Beschwerden und Anregungen "sehr ernst". Daher sei bei der Bereitschaftspolizei (BePo) eine Servicestelle eingerichtet worden. Die BePo habe den Auftrag, Beschwerden, Anregungen und Probleme bei der neuen Dienstkleidung mit dem Logistikunternehmen zu optimieren. Die Rückmeldungen fließen dann in die Fortentwicklung der neuen Uniform, heißt es.

Peter Schall, Vorsitzender der GdP in Bayern, dazu: "Wir wollen die Uniform nicht in Grund und Boden reden - sie schaut schön aus. Wir sprechen aber die Mängel an, weil Lösungsansätze hermüssen." Denn aus vielen Zuschriften sei auch Resignation herauszulesen. Schall: "Der Frust über die neue Uniform darf sich nicht verfestigen."

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