Essen für 20 Milliarden Euro landet in der Tonne

2.9.2014, 18:53 Uhr
Essen für 20 Milliarden Euro landet in der Tonne

© dpa

Das Essen, das Europäer wegwerfen, würde reichen, um die Welt satt zu machen. Etwa die Hälfte der Lebensmittel landet in der Tonne, obwohl sie noch genießbar wären. Ob direkt bei der Ernte, im Supermarkt oder zu Hause: Essen im Wert von 20 Milliarden Euro schmeißen die Deutschen jährlich weg. Diese Verschwendung ist weder gut für den Geldbeutel noch für die Umwelt. Deswegen wollen Nürnberger Vereine wie „Bluepingu“ oder „Foodsharing“ die Verbraucher aufklären.

Zeit fürs Mittagessen. Die Abiturientin Maria Becker steht in der Küche. Es soll Nudeln mit Brokkoli-SahneSoße geben. Sie holt den Brokkoli aus dem Kühlschrank: „Igitt, der ist ja schon gelb – den kann ich jetzt wegschmeißen“, sagt die 19-Jährige. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Sahne ist seit gestern abgelaufen. Schnell landen die Lebensmittel im Müll. Morgen wird die junge Frau wieder einkaufen gehen. Szenen wie diese spielen sich in vielen Haushalten in Deutschland ab. Den meisten Verbrauchern ist nicht bewusst, wofür das Mindesthaltbarkeitsdatum steht. Viele verstehen die Angabe als Verfallsdatum. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Art Qualitätsgarantie des Herstellers: Bis zu diesem Datum ist das Produkt auf jeden Fall einwandfrei, aber auch danach ist es meistens noch uneingeschränkt genießbar. Auf verderblichen Lebensmitteln, wie Fleisch und Fisch, steht das Verbrauchsdatum, denn von ihnen geht in verdorbenem Zustand ein Gesundheitsrisiko aus. „Man müsste einfach probieren, ob etwas noch gut ist, und sich mehr auf seine Sinne verlassen. Die wissen, was essbar ist“, sagt Sabrina Kley von „Foodsharing e. V.“.

Krumme Kartoffeln sortiert der Bauer aus

In Nürnberg engagiert sich die 29-Jährige mit rund 25 ehrenamtlichen Mitgliedern. Ihre Aufgabe: Sie holen noch verwertbare Nahrungsmittel von Geschäften ab, die sie sonst wegwerfen würden. Diese bringen sie dann zu einer öffentlichen Verteilerstelle, wo sich jeder bedienen kann. „Brokkoli muss man nicht wegschmeißen, nur weil er gelb ist“, sagt Kley. Die Verbraucher seien einfach uninformiert – auch was die richtige Lagerung betrifft, meint sie. Beeinflusst von Werbung und Medien haben die Kunden ein Idealbild von Lebensmitteln. Das führt so weit, dass 40 bis 50 Prozent der Kartoffeln auf dem Feld liegen bleiben, weil ihre Form nicht der Norm entspricht. Auch Tomaten, die nicht den richtigen Rotton haben, sortieren die Bauern aus.

Jeder Deutsche wirft umgerechnet 235 Euro im Jahr an Nahrung weg. Dieses Kaufverhalten hat enorme Auswirkungen auf den Klimawandel. Für die Produktion von Lebensmitteln brauchen die Landwirte große Mengen an Wasser. Eine Tomate benötigt beispielsweise 13 Liter Wasser, bis der Bauer sie ernten kann. Um sie zu lagern und zu transportieren, sind ebenfalls Ressourcen erforderlich. Für neue Felder werden Wälder gerodet. Auch auf Kleinbauern in Entwicklungsländern hat die Lebensmittelverschwendung in Europa negative Auswirkungen. Sie können sich Grundnahrungsmittel, wie Weizen oder Mais, nicht mehr leisten. Denn die Entsorgung von Nahrungsmitteln führt, getarnt als verstärkte Nachfrage, zu einem Anstieg der Weltmarktpreise.

Gemeinsam kochen gegen die Verschwendung

Eine Möglichkeit, weniger Essen zu verschwenden, haben sich Studenten der Uni Erlangen-Nürnberg überlegt. Zusammen mit „Foodsharing e. V.“ haben sie das „Foodsharing Dinner“ ins Leben gerufen. Zu zehnt treffen sie sich im Lesecafé in Erlangen. Auf dem Tisch liegen Brot, Zucchini, Kopfsalat und Erdbeeren – alles vegan und zu Hause übriggeblieben. Die meisten sehen sich hier zum ersten Mal. Gemeinsam überlegen sie, was sie aus den Zutaten kochen können. Die Atmosphäre ist locker und es wird viel gelacht. Um 19.30 Uhr gibt es Salat mit Radieschen, gefüllte Zucchini und als Nachtisch Bananeneis mit Erdbeeren. Das Café ist gut gefüllt und es wird für 30 Leute gedeckt. Im Kampf gegen die Verschwendung hilft es, nicht immer nach Rezept zu kochen, stattdessen zu improvisieren und Reste zu verwerten. Überlegt und lieber häufiger einkaufen gehen als einen großen Einkauf pro Woche zu machen.

Die Organisation „Bluepingu e. V.“ will mit Projekten wie dem „Stadtgarten“ zeigen, welche regionalen Möglichkeiten es gibt, eine nachhaltige Welt zu schaffen. In Eberhardshof pflanzen die Nürnberger Gemüse selbst an und ernten es zusammen. „Wir kochen dann immer gemeinsam und vor allem die Kinder haben daran großen Spaß“, sagt Mitglied Andreas Fehr. „Bluepingu“ arbeitet eng mit „Foodsharing“ zusammen. Öffentliche Verteilerregale für die Lebensmittel aufzustellen, ist anfangs ein Problem gewesen. „Es war echt eine Herausforderung, nicht gleich angezeigt zu werden“, sagt der 31-Jährige und lacht. „Aber inzwischen haben wir einen sehr guten Draht zur Stadt.“

 

www.bluepingu.de
www.foodsharing.de
http://lesecafe-anstaendig-essen.de

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