Familie Wagner soll NS-Vergangenheit aufarbeiten
26.7.2012, 17:40 UhrAuch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) dringt darauf, dass die Familie Wagner und das Festspielhaus in Bayreuth ihre NS-Vergangenheit umfassend aufklären. Er sehe die Familie und die Festspiele in einer „besonderen Verantwortung“, sagte Neumann der Nachrichtenagentur dapd.
Die Verbindungen der Festspiele zum Nationalsozialismus und seinen Vertretern in den Jahren 1933 bis 1945 „sowie die antijüdische Haltung des Hauses Wagner – auch schon vor dem Jahre 1933 – stellt ein besonders dunkles Kapitel in der deutschen Musik- und Kulturgeschichte dar“.
Die aktuelle Festspielleitung sei sich der Verantwortung zur Aufarbeitung bewusst und stelle sich ihr, sagte Neumann. Er erwarte jedoch, dass die Leitung wie auch die Familie Wagner „auf diesem Weg weiter vorangehen“. Hierzu gehöre insbesondere „die Zugänglichmachung aller Archive.“ Denn aus der Geschichte des Grünen Hügels resultiere „eine besondere Verantwortung“ zur „lückenlosen Aufarbeitung“ der eigenen Vergangenheit.
Die neue Spielzeit in Bayreuth war am Mittwochabend mit der Oper „Der Fliegende Holländer“ eingeläutet worden. Kritiker hatten dem Opernhaus zuvor vorgeworfen, eine intensive, selbstkritische Aufarbeitung der NS-Zeit bisher versäumt zu haben. Anlass der Debatte war der plötzliche Rückzug von Bass-Bariton Evgeny Nikitin wegen dessen Nazi-Tätowierungen.
Neumann begrüßt Rauswurf von Nikitin
Neumann begrüßte die Trennung von Nikitin ausdrücklich. Auch dies zeige, dass die Festspielleiterinnen „ihrer Verantwortung vor der Geschichte“ wahrnähmen. „Der Auftrittsverzicht Nikitins war die einzig mögliche und richtige Reaktion auf den Vorfall“, sagte der Kulturstaatsminister.
Er erinnerte mit Blick auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit zudem an die aktuell auf dem Festspielhügel sowie im Rathaus von Bayreuth gezeigte Wanderausstellung „Verstummte Stimmen. Die Bayreuther Festspiele und die Juden 1876 bis 1945“. Diese Ausstellung sei „ein erster wichtiger Schritt“ der weiteren Aufarbeitung.
Probleme im Familienclan
Festspielleiterin Katharina Wagner sagte zu der Forderung des Kulturstaatsministers, sie sei „ganz und gar seiner Meinung“. Die 34-jährige Urenkelin von Richard Wagner betonte ferner, sie und ihr Familienzweig hätten alles zur Verfügung stehende Material „ungesichtet an einen Historiker übergeben“. Das betreffe vor allem das Archiv ihres verstorbenen Vaters Wolfgang Wagner, der jahrzehntelang Leiter der berühmten Opernfestspiele war.
Teilweise gehörten historische Unterlagen jedoch allen vier heutigen Wagner-Stämmen, was die Weitergabe kompliziert mache. Darauf habe sie keinen Einfluss. „Aber von der Festspielleitung und von meiner Familie gibt es ein großes Interesse, dass alles zugänglich gemacht wird“, sagte Wagner.
Einen besonders schwierigen Fall stelle in diesem Zusammenhang Ameli Hohmann dar, die Tochter von Wolfgang Wagners Schwester Verena Lafferentz. „Dort soll es einen ominösen 'weißen Schrank' geben, angeblich mit dem Nachlass von Verenas Mutter Winifred Wagner.
Er gehört allen vier Stämmen, aber was drin ist, wissen wir bis heute nicht“, sagte Katharina Wagner, die mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier die Festspiele leitet. Sie hätten Hohmann mehrmals angeschrieben, um Einblick zu erhalten – allerdings ohne Erfolg.
Die Verstrickung der Bayreuther Festspiele und vor allem Winifred Wagners, die eine enge Vertraute Adolf Hitlers war, in die Zeit des Nationalsozialismus wurde in die Hände des Historikers Peter Siebenmorgen gelegt, der möglicherweise noch in diesem Jahr erste Forschungsergebnisse veröffentlichen will.
Transparenz gefordert
Der FDP-Kulturpolitiker Hans-Joachim Otto appellierte derweil an das Festspielhaus, die eigene NS-Vergangenheit kritisch zu erforschen. „Transparenz und eine aktive Aufarbeitung der Geschichte sind keine freie Entscheidung, sondern eine Bringschuld“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
Bei der Geschichte der Familie Wagner und der Bayreuther Festspiele gelte dies „in besonderem Maße“. Otto betonte, Transparenz und Offenheit seien immer „gute Leitlinien“ beim Umgang mit der Vergangenheit. Mit Blick auf das Opernhaus in Bayreuth verwies der FDP-Politiker auch auf dessen weltweite Bedeutung und die beträchtliche öffentliche Förderung.
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