Fleischbetriebe in der Kritik: "Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche"

Arno Stoffels

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19.5.2020, 05:44 Uhr
Quer durch die Republik sind die oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter in Fleischfabriken von Infektionen betroffen. In der Region sollen nach Angaben der Gewerkschaft die Bedingungen besser sein.

© Rolf Vennenbernd, dpa Quer durch die Republik sind die oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter in Fleischfabriken von Infektionen betroffen. In der Region sollen nach Angaben der Gewerkschaft die Bedingungen besser sein.

Die Fleischbranche steht seit vielen Jahren wegen der dort herrschenden Arbeitsbedingungen in der Kritik. In der Corona-Krise ist vor allem die teils prekäre Unterbringung der in Subunternehmen mit Werkverträgen Beschäftigten in den Fokus gerückt. Quer durch die Republik sind die oft aus Osteuropa stammenden Arbeiter von Infektionen betroffen.


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Erst am vergangenen Sonntag wurde im Landkreis Osnabrück in Niedersachsen die Produktion in einem Betrieb ausgesetzt, nachdem durch einen Test festgestellt wurde, dass über 90 Mitarbeiter das Virus in sich tragen. Bereits im April war die Lungenkrankheit Covid-19 auch in einer Fleischwarenfabrik in Baden-Württemberg ausgebrochen. Für bundesweites Aufsehen sorgten auch Fälle in Coesfeld und Oer-Erkschenwick in Nordrhein-Westfalen. Auch im Landkreis Bogen-Straubing sind mittlerweile 81 Schlachthofmitarbeiter positiv getestet worden, weshalb dort die Obergrenze von 50 Neuerkrankungen pro 100000 Einwohner binnen sieben Tagen gerissen wurde.

Auch in der Metropolregion Nürnberg gibt es mehrere große Fleischbetriebe. Wie die Situation dort etwa bezüglich der Wohnverhältnisse der Beschäftigten ist, weiß die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nicht zu sagen. „Angeblich sind sie besser als zum Beispiel in Coesfeld. Wir können Missstände allerdings nicht ausschließen. Leider melden sich Arbeitende, die unter sehr schlechten Bedingungen leben, nicht bei uns“, so Regina Schleser von der NGG Nürnberg-Fürth.

Bekannt sei lediglich, dass etwa die Nürnberger Bratwurstfabriken ihre Leiharbeit und die Werkverträge unter anderem über die Firma „TOQ“ aus Jena und „Lars Stiefvater Management“ aus Nürnberg organisieren. „TOQ“ meldet sich auf Anfrage nicht zu dem Thema. Im Gegensatz zu Lars Stiefvater als Inhaber des gleichnamigen Personaldienstleisters, der nach eigenen Angaben aktuell rund 300 Mitarbeiter aus 35 Nationen sozialversicherungspflichtig beschäftigt hat. Nicht in Schlachtbetrieben, sondern in der Nürnberger Wurstwarenbranche, etwa in der Verpackung.


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Zu den Missständen in Nordrhein-Westfalen sagt Stiefvater nicht viel. „Ich kann nur für mich sprechen. Das zehn Leute in einem Zimmer untergebracht sind, das geht natürlich nicht.“ Aus Osteuropa entsendete Arbeitnehmer, für die inzwischen zwar der Mindestlohn bezahlt werden muss, aber keine Steuern und Sozialabgaben, „hat es bei uns noch nie gegeben und wird es auch nie geben“, sagt Stiefvater.

Ein Großteil der bei ihm teils über zehn Jahre und mehr beschäftigten Arbeitnehmer würde nicht in Unterkünften in Nürnberg wohnen, sondern dauerhaft im Nürnberger Land. Der Schutz der Gesundheit und der „respektvolle Umgang“ sei ihm ein großes Anliegen, „das war aber auch unabhängig von Corona schon so.“ Auch wenn es „wie in jeder Branche“ schwarze Schafe gebe, „darf man nicht alle über den gleichen Kamm scheren“, findet der Unternehmer. Zu der Diskussion gehört für ihn auch das Thema „Geiz ist geil“, wie er sagt. Wenn über prekäre Beschäftigung in der Fleisch- und Schlachtbranche geredet wird, „muss auch über die Wertigkeit der Lebensmittel“ gesprochen werden. „Und da muss sich dann jeder Bürger selber an die Nase fassen“, so Stiefvater.

Ähnlich argumentiert Günter Härtl aus der Geschäftsleitung der Unifleisch-Unternehmensgruppe in Erlangen. Rund 240 Mitarbeiter seien insgesamt bei ihm beschäftigt, sagt Härtl. Bereits seit Februar würde unter streng kontrollierten Bedingungen gearbeitet, seien die ohnehin hohen Hygienestandards noch einmal verschärft worden. Seit März würde zudem die Temperatur bei jedem Arbeiter gemessen, bevor er an seinen Platz geht. Zusätzlich seien die Mitarbeiter geschult worden, wie sie sich im Betrieb „und auch draußen“ zu verhalten hätten, um eine Infektion zu vermeiden.

Die Gesundheit der Arbeitnehmer habe höchste Priorität und sei auch im Interesse des Unternehmens. „Wir haben schließlich einen Versorgungsauftrag“. Bisher gebe es keinen Corona-Fall und Härtl hofft, dass das so bleibt. „Aber ausschließen kann man so was nicht.“ Im Bereich der Zerlegung würde mit einem Dienstleister zusammengearbeitet, „das ist aber der gleiche seit 30 Jahren“, prekäre Arbeitsverhältnisse mit Werkverträgen oder über die Grenze gefahrenen Beschäftigten aus Osteuropa gebe es bei Unifleisch nicht.

Die meisten Arbeitnehmer würden „mit ihren Familien zusammen“ dauerhaft hier wohnen. Einige würden zwar in kleinen Wohngemeinschaften leben, „aber nicht in Lagern“, wie es rund um die in die Schlagzeilen geratenen Großbetriebe anderswo in der Republik offenbar der Fall sei.

Wie Stiefvater ist auch Härtl der Meinung, dass nicht die gesamte Branche für die Verhältnisse in einigen Betrieben abgestraft werden dürfe. Zur Wahrheit gehöre auch, dass „wir es ohne den Zufluss von Arbeitskräften aus Osteuropa nicht leisten könnten“, weil die Arbeit in Schlachtbetrieben und Großmetzgereien praktisch kein Deutscher mehr machen wolle.

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