Großer Medienrummel
Fliesenleger in Bayern will nicht mehr für "Besserwisser" arbeiten
11.1.2019, 05:58 UhrFliesenlegermeister Michael Schmiedl, der in Riedenburg einen kleinen Betrieb führt, hat bereits seit Oktober 2016 einen Hinweis auf seiner Homepage, dass er keine Aufträge von Ingenieuren, Doktoranden oder Professoren der Firmen Audi und Siemens annehme. Zu schlecht seien seine Erfahrungen mit diesem Kundenkreis gewesen. Zum einen stellen nach Darstellung des 36-Jährigen viele Ingenieure Forderungen an seine Arbeit, die sich in der Praxis oft nicht umsetzen ließen, zum anderen müsse er manchmal monatelang auf sein Geld warten.
Durch einen Artikel in der örtlichen Tageszeitung wurde dieser radikale Schritt nun einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Bis jetzt gingen mehr als 2000 E-Mails bei Schmiedl ein. Teils heftige Kritik von Betroffenen, "zu 99,8 Prozent aber Zustimmung" hat der Chef eines kleinen Handwerksbetriebs bekommen.
"...nicht mehr für Besserwisser", heißt es auf Schmiedls Homepage, darunter der unmissverständliche Hinweis, dass seine Firma nicht für Ingenieure, Doktoranden und Professoren der Firmen Audi und Siemens arbeite. "Sollten Sie zu oben genannter Personengruppe gehören, sparen Sie sich (und uns) das Verfassen von E-Mails. Ausschluss bedeutet Ausschluss", heißt es weiter, wobei es dem Riedenburger nicht darum geht, eine bestimmte Berufsgruppe schlechtzureden oder zu diskriminieren. Aber er habe viele Jahre lang immer wieder schlechte Erfahrungen mit diesem Kundenkreis gemacht.
"Total realitätsfremd"
"Audi-Ingenieure leben in einer anderen Welt, diese Leute sind total realitätsfremd. Da geht es um Millimeter und Nanometer, wie es sich in der Praxis oft nicht umsetzen lässt", erzählt Schmiedl und nennt einige Beispiele. So habe ein leitender Mitarbeiter des Automobilkonzerns mit den vier Ringen ein Normengutachten in Auftrag gegeben, weil die von ihm ausgesuchte Fliese mit den Maßen 30 mal 60 beim Nachmessen 29,5 mal 59,5 Zentimeter maß. Schmiedls Erklärung, das habe seine Richtigkeit, weil die Fuge bei der Maßgabe mitberechnet werde, ließ der Kunde nicht gelten.
Ein anderer Ingenieur habe eine Marmortreppe nicht akzeptiert, weil ihm das Muster im Stein zu unregelmäßig war – bei einem Naturstein. Der Kunde klagte – und verlor. Ein weiterer Vertreter dieses Berufsstandes präsentierte Schmiedl einen Plan, auf dem jede Fliese einzeln gezeichnet war, samt Fugenbild für den gesamten Raum. "Der wollte es partout nicht akzeptieren, dass es beim Bau immer gewisse Toleranzen gibt, und dass sich sein Plan so nicht umsetzen lässt, wenn die tatsächliche Länge oder Breite des Badezimmers nur um einen oder zwei Zentimeter gegenüber den Bauplänen differiert."
Irgendwann überprüfte Schmiedl seine Buchhaltung und errechnete, dass es bei 89 Prozent aller von Audi- oder Siemens-Ingenieuren erteilten Aufträgen irgendein Problem gab. Besagter Kundenkreis nörgele nicht nur an seiner Arbeit herum, sondern zeichne sich auch durch eine schlechte Zahlungsmoral aus. "Ich gebe vier Prozent Skonto, wenn jemand innerhalb einer Woche zahlt. Die wollen aber fünf Prozent oder mehr und zahlen dann manchmal doch erst nach drei Monaten." Seit der Handwerker seine Ausschlussliste anwendet, ist seiner Aussage nach die Anzahl von Zahlungsausfällen drastisch gesunken.
Viel Häme im Internet
Es liegt in der Natur der Sache, dass die von dem Boykott betroffenen Berufsgruppen, die nun viel Häme im Internet erfahren, Schmiedl hart angehen. Von "Stimmungsmache", "undifferenzierter Darstellung" oder "ziemlich an den Haaren herbeigezogenen Beispielen" ist in Mails oder Online-Kommentaren die Rede. Gleichzeitig melden sich aber auch viele Mitarbeiter der beiden Konzerne, die die Erfahrungen des Fliesenlegers bestätigen.
Schmiedl glaubt, dass die Pingeligkeit mancher Ingenieure auch einer bestimmten Konzernstrategie geschuldet ist. " Zulieferer werden von extrem hohen Qualitätsanforderungen so unter Druck gesetzt, dass sie Preisnachlässe akzeptieren müssen", glaubt der Handwerker. Und diese Vorgabe, in jeder Suppe ein Haar zu finden, könne mancher Beschäftigte im Privatleben nicht mehr ablegen.
Eine Ausnahme macht Michael Schmiedl, der trotz dieses Ausschlusses bis 2020 gut mit Aufträgen eingedeckt ist, nun vielleicht doch: Vor einigen Wochen erhielt er von den Eltern eines Audi-Ingenieurs einen Brief. Ihr Sohn finde einfach keinen Handwerker für seinen Hausbau, deshalb wollen sie nun für ihn bürgen und im Voraus bezahlen, schrieben sie. Außerdem versicherte das Paar, dass der Sohn nicht auf der Baustelle erscheinen wird, bis alles fertig ist. "Vielleicht riskiere ich es noch mal", sagt Schmiedl. Bei einem ersten Gespräch habe der Mann einen ganz vernünftigen Eindruck gemacht.
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