Flüchtlingspolitik und das Frühstücksbuffet im Sozialsystem

4.6.2014, 18:59 Uhr
Luxuszuwanderung über das Asylsystem in Deutschland? Das gibt es nicht. Trotzdem gibt es viele Vorurteile gegenüber Flüchtlingen.

© dpa Luxuszuwanderung über das Asylsystem in Deutschland? Das gibt es nicht. Trotzdem gibt es viele Vorurteile gegenüber Flüchtlingen.

Deutschland, das Sozialamt der Welt. Irgendwann ist es genug. Nicht jeder kann rein. Frühstücksbuffet im Flüchtlingsheim, dann mit dem eigenen Fahrer durch die Gegend.  Diese oder ähnliche Vorurteile liest man oft im Internet unter diversen Artikeln zur Asylpolitik, konservative Parteien gehen schon lange mit ähnlichen Schlagworten auf Stimmenfang. Mit "Wer betrügt, der fliegt" kam ein Slogan zur Problematik nicht von einer kleineren Partei, sondern der CSU.

Elisabeth Preuß, Bürgermeisterin der Stadt Erlangen und Referentin für Soziales, sieht trotz gelegentlicher Proteste aber eher, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Aufnahme von Flüchtlingen positiv gegenüber steht. „Viele Bedenken zerstreuen sich, wenn die Anwohner den Flüchtlingen begegnen und sie als Menschen in einer Notlage kennenlernen“, sagte sie.

Doch es gibt selbstverständlich auch Vorurteile gegenüber den Flüchtlingen. Auch in der Region. In Erlangen etwa existieren vier staatliche und drei kommunale Unterkünfte. Etwas mehr als 300 Flüchtlinge leben aktuell in der Hugenottenstadt. Im Dezember letzten Jahres kursierte ein anonymes Flugblatt im Röthelheimpark, das Stimmung machte gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. Viele Menschen haben diffuse Ängste – wie die Überlastung von Lehrern oder Kindergärten. „Insgesamt kommen in Gebieten mit Einfamilienhäusern mehr Proteste als in ärmeren Gegenden“, so Preuß.

Flüchtlinge erfahren Ablehnung, werden von oben herab angeschaut und fühlen sich abgeschottet, so beschreibt es Khalil Bardag, der Erlanger Ausländerbeirats-Vorsitzende. „Das liegt zum einen an der Wahrnehmung von Flüchtlingen und den Vorurteilen, die es in der Gesellschaft gibt, zum anderen liegt das Problem im System“, so Bardag. „Erst langsam gibt es Änderungen in der Flüchtlingspolitik hinsichtlich der Lebensmittelversorgung, des Arbeitsverbots, der Möglichkeit zur Teilnahme an Deutschkursen und der Residenzpflicht.“ Er betont aber gleichzeitig, dass Erlangen ein sehr gut funktionierendes Netzwerk  habe, das sich um die Betreuung von Flüchtlingen kümmere und sich dafür einsetze, dass sie an der Gesellschaft teilhaben können.

Die Professorin Christine Morgenstern von der TH Nürnberg, deren Lehrgebiete die Rassismusforschung ist, sieht Unwissen als eine große Komponente beim Entstehen von Vorurteilen: „In Deutschland ist die Mehrheit der Gesellschaft nicht über die reale Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber informiert. Es gäbe kaum Kontakt zwischen Mehrheitsgesellschaft und Flüchtlingen, kaum sachliche Darstellungen der Rechtslage und der Verwaltungsverfahren.“ (Das vollständige Interview mit Christine Morgenstern finden Sie hier.)

Morgenstern kennt die Gefühlslage von Bürgern, in deren Nachbarschaft plötzlich Flüchtlinge einziehen. „Aus der Sicht der Nachbarn, die meist nicht gefragt, oft nicht einmal offiziell über die Unterbringung und Gründe informiert werden, erscheinen diese Veränderungen in ihrem sozialen Umfeld rätselhaft, unerklärlich und werden nicht selten als bedrohlich empfunden“, sagt die Professorin.

Die Stadt Erlangen nimmt an einem Projekt des Europarats teil, das typische Gerüchte und Vorurteile am Beispiel der Hugenottenstadt erforscht.
Die Aufklärung und eine durchsichtigere und bessere Informationspolitik sieht Morgenstern als wichtige Punkte, um den Vorurteilen gegenzuwirken. „Menschen müssen einander kennenlernen können, um irrationale Ängste und Befürchtungen zu bekämpfen.“ Dazu würde auch eine dezentrale Unterbringung gehören.

Auch Bardag sieht das ähnlich: „Es braucht ein Umdenken in der Gesellschaft. Wir müssen begreifen, dass Vielfalt etwas sehr Positives und vor allem auch etwas sehr Normales ist." Weiter sagt er: „Es muss eine Willkommenskultur in der gesamten Gesellschaft geben – auf dem Wohnungsmarkt, auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungsbereich, im Vereinswesen.“ Sie müsse institutionell stattfinden – aber vor allem auch in den Köpfen der Menschen.