Amazon-Ansiedlung in Oberfranken schlägt hohe Wellen
16.5.2019, 13:24 UhrDas war schon auffällig: Nach der Bauausschusssitzung der vergangenen Woche strebten Gemeinderäte, die dem Gremium nicht angehören (ebenso wie Unbekannte), der "geheimen" Sitzung zu. Des Rätsels Lösung war zwei Tage später in den Nürnberger Nachrichten zu lesen: Amazon zieht mit einem Sortierlager in das seit vier Jahren stillgelegte Lidl-Zentrallager im Ortsteil Neuses ein. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats erklärte Bürgermeister Claus Schwarzmann (Bürgerbund) die Hintergründe des Grundstücksgeschäfts, zu dem sich sechs Amazon-Vertreter aus München eingefunden hatten.
Am ganzen Komplex werde wenig verändert, die Leichtmetallhalle werde nicht genutzt, "die Themen Verkehr und Lärm waren uns wichtig", schilderte der Gemeindechef den Ablauf.
Aus Lidl-Zeiten sei der doppelte Fahrbetrieb der jetzt angesagten 150 täglichen Ein- und Ausfahrten bekannt. Für den in den Nachtstunden angekündigten Hauptverkehr habe das Landratsamt eine sechs Meter hohe Schallschutzwand zur Bedingung gemacht, erörterte Schwarzmann Details.
"Alles Taktik"
"Die von der Gewerkschaft Verdi angegriffenen Arbeitsbedingungen unter Niedriglöhnen sind nicht unser Thema, uns war klar, dass mit bis 200 Arbeitsplätzen mehr der Gewerbesteueranteil der Gemeinde steigt", machte Schwarzmann deutlich.
Eben dies und den "Verkauf der Heimat" stellte CSU-Rat Hans-Jürgen Dittmann an den Pranger. "Alles Taktik", kritisierte er den angeblich "lapidaren" Wortlaut der Ladung zur "eingeschobenen" Sitzung – schon daraus erhebe sich der Verdacht, so Dittmann, dass das "Geschäft" bereits vorher mit dem Landratsamt ausgehandelt worden sei.
Räte wurden dezidiert informiert
Mit einem Fall aus der niedersächsischen Stadt Garbsen führte Dittmann das Geschäftsgebaren von Amazon an. Die Frage sei, ob die Gewerbesteuer immer gleich fließe, denn Investitonen schmälerten den Gewinn und damit auch die Höhe der Abgabe. Zwischenzeitlich hat Amazon reagiert und den NN eine Stellungnahme zukommen lassen.
"Das Mantra Arbeitsplatzbeschaffung kann zum Menetekel werden", warnte der Eggolsheimer CSU-Altvordere. Die "tiefgreifenden Veränderungen" brächten mehr Nachteile als Vorteile – mit einer Stichstraße zum Kreisverkehr südlich von Neuses könnte die Anbindung für ein weiteres Gewerbegebiet geschaffen werden, das Geld müsste aus der Hand von Amazon kommen, griff Dittmann eine Idee der Kollegin Dorothea Göller auf.
"Die durchgehenden Vorwürfe, dass der Marktrat nur zum Abnicken gebraucht wird, weise ich vehement zurück", reagierte Schwarzmann darauf.
Die Räte seien sehr dezidiert informiert worden, "seit dem Tag als die Ladung rausging kamen Anrufe aus ganz Deutschland. Es gab die Möglichkeiten, offen damit umzugehen oder zu mauern, zu Letzterem bestehen keine guten Erfahrungen – außerdem geht es hier um ein genehmigtes Logistikzentrum", gab der Bürgermeister zu bedenken. "Eine Stichstraße mit weiterer Versiegelung sehe ich nicht".
"Es geht hier um ein Geschäft von Privat mit Privat"
Zur Frage "Wo sollen die Arbeitskräfte herkommen?" bemerkte Schwarzmann, es seien an die 20 Anrufe eingegangen, die darauf zielten, wo man sich bewerben könne. "Den Vorwurf der Gewerkschaft einer geheimen Veranstaltung weise ich zurück", so der Rathaus-Chef. "Wir hatten nicht mehr als einen Bauantrag zu behandeln. Dass sich die Medien darauf stürzten, ich muss mich halt für Foto und Film hinstellen, für mein Ego brauche ich das nicht."
Stefan Pfister (Bürgerbund) machte klar: "Es geht hier um ein Geschäft von Privat mit Privat, die Gemeinde hat damit nichts zu tun. Die Abstimmung mit dem Landratsamt ist richtig, schließlich ist das die Genehmigungsbehörde".
Auf die Frage des Dritten Bürgermeisters Günter Honeck, ob in Garbsen mal zur Gewerbesteuer angefragt worden sei, antwortete Schwarzmann: "Nein, das ist Steuergeheimnis, was meinst Du, was da rauskäme?" Abschließend erklärte Claus Schwarzmann: "Ich glaube nicht, dass jene, die dem Umbau des Logistikzentrums zustimmen, die Bürger vorsätzlich belasten. Wir kriegen weniger Verkehr als früher."
Die große Mehrheit von 17 Räten stimmte dem Bauantrag zu – dagegen wandten sich Dorothea Göller und Hans-Jürgen Dittmann.
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