Öffnungen
Außen-Gastronomie in Forchheim: Zu unsicher, zu früh, zu viel?
6.5.2021, 15:47 Uhr- Es klang wie ein Befreiungsschlag: Nach mehr als sechs Monaten Lockdown darf ab Montag in Bayern die Außengastronomie wieder öffnen, sofern die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 liegt. Doch die Gastronomen im Landkreis Forchheim reagieren verhalten auf die neue Öffnungsperspektive.
Gäste müssen für den künftigen Besuch im Biergarten einen negativen PCR-Test oder Antigen-Schnelltest vorlegen, der nicht älter als 48 beziehungsweise 24 Stunden ist. Die Pflicht zur Vorlage eines negativen Tests gilt bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 aber nicht für ausnahmslos alle Gäste: Bei Angehörigen eines Hausstands und/oder vollständig Geimpften/Genesenen entfällt die Testpflicht. Trotzdem: "Ich bräuchte einen Mitarbeiter, der diese Kontrolle übernimmt", sagt Constanze Bogatz von der gleichnamigen Kaffeerösterei in Forchheim.
Zudem müsste selektiert werden, ob der Kunde einen Kaffee oder Pralinen zum Mitnehmen kaufen möchte – wofür kein Test nötig wäre – oder ob er vor dem Café am Tisch einen Espresso trinken möchte. "Das ist ein Riesenaufwand und verursacht zusätzliche Personalkosten", so Bogatz, die ihren Betrieb gemeinsam mit ihrem Mann führt. Die beiden haben noch nicht entschieden, wie sie öffnen, wenn die Zahlen in Forchheim das zulassen sollten.
Impfpässe kontrollieren?
Constanze Bogatz sieht es kritisch, dass sie jetzt Impfpässe kontrollieren soll. "Eigentlich müsste ich mir den Personalausweis ebenso zeigen lassen, um sicher zu gehen, dass das der Geimpfte oder Getestete ist", so die Gastronomin. Sie hält die neuen Vorgaben für nicht praktikabel. Zudem sei man durch eine ausschließliche Öffnung des Außenbereichs vom Wetter abhängig und müsste immer damit rechnen, wieder schließen zu müssen, wenn die Inzidenz ansteigt.
Drei Mitarbeiter haben Bogatz’ in der Corona-Zeit verloren. Neues Personal sei nur schwer zu gewinnen. Ähnliche Probleme hat der Gasthof zur Post in Egloffstein. Das junge Team hat mehrere Mitarbeiter verloren, denen die Perspektive in der Gastro fehlt.
Der Gasthof hatte bis Ostern komplett geschlossen, die Mitarbeiter waren seit November in Kurzarbeit. Denn die Personalkosten seien im Vergleich zu den Einnahmen des To-Go-Geschäfts zu hoch, sagt Julia Kellner, die den Gasthof mit einem kleinen Team im November 2019 wieder eröffnet hat. Ein Investor aus Nürnberg hatte das Traditionshaus gekauft, saniert und Mitarbeiter angestellt. Die Lohnkosten liefen weiter, die Einnahmen fehlten.
So entschied sich das Team für eine vorübergehende Schließung und öffnete erst zu Ostern wieder das Mitnahmegeschäft. "Das ist durchwachsen", bilanziert Kellner die ersten Wochen. Seit dem vergangenen Wochenende bietet "die Post" einen Straßenverkauf auf der Terrasse an. "Wir wollten den vielen Wanderern, die nach Egloffstein kommen, die Möglichkeit geben, sich etwas mitzunehmen", so Kellner.
Bratwurst und Schaschlik
"Schäuferla und Kloß lassen sich auf der Parkbank halt schlecht essen." Deshalb gibt es Bratwurstbrötchen, Schaschlik oder Schüttelsalat im Glas. Den Straßenverkauf werden sie weiter betreiben – auch wenn sie die Außengastro wieder öffnen könnten. Zu unsicher seien die Regeln, zudem sei man stark vom Wetter abhängig. "Wir wollen frisch kochen, was so nur schwer planbar ist, man müsste viele Lebensmittel wegwerfen." Sie will mit ihrem Team erst wieder ganz öffnen, wenn Innengastronomie erlaubt sein wird.
In einem großen Biergarten könne man am Eingang einen Platzeinweiser damit beschäftigen, Tests und Impfpässe zu kontrollieren. "Für kleine Betriebe ist das schwer umsetzbar, die zusätzlichen Personalkosten müsste der Gast mitbezahlen." So plagen den neu eröffneten Gasthof die Schulden, die sich aktuell nicht zurückzahlen lassen.
Wer keine großen Rücklagen habe, werde dieses Jahr nicht überstehen, vermutet die Hotelfachfrau, die auf eine bessere, längerfristige Perspektive für Gastronomen hofft.
Finanziell schwer belastet ist auch Birgit Hempel, die sich freut, ihren Schindlerkeller wieder öffnen zu dürfen. "Meine Pacht und die Nebenkosten laufen weiter, ich muss aufmachen", so die Sprecherin der Wirte auf dem Forchheimer Kellerwald, die am 3. Mai endlich die Dezember-Hilfen bekommen und ihre Altersvorsorge in den Betrieb eingebracht hat, um zu überleben.
"Die Gäste möchten unbedingt auf den Keller." Die Kontrolle am Eingang wird sie selbst übernehmen. "Im vergangenen Jahr hatte ich zum Ausfüllen der Meldebögen und Hinführen zu den Tischen Schüler-Aushilfen beschäftigt", so Hempel. Sie hält die Kontrolle von Tests und Impfpässen für kompliziert, weshalb sie das lieber selbst übernimmt. Dafür muss sie eine Bedienung zusätzlich einstellen. Vorkehrungen für eine Öffnung sind getroffen, Abstandsregeln können auf dem weitläufigen Gelände eingehalten werden.
"Bestuhlen werde ich aber erst, wenn klar ist, dass wir am nächsten Tag aufmachen dürfen", so Hempel. Sie beobachtet am Wochenende viele Gäste, die erfinderisch werden, sich Klapptische oder Decken mitbringen, um das To-Go-Essen zu verzehren. Sie fürchtet, dass Uneinsichtige über die Absperrungen klettern würden und es sich auf ihrem Keller gemütlich machen. "Es tut mir selbst leid, wenn ich die Leute wegjagen muss, aber ich muss mich an die Vorschriften halten", so die Gastronomin, die sich als "Wirtin aus Leidenschaft" bezeichnet.
Testmobil im Kellerwald
Sie fordert von der Stadt ein Testmobil auf dem Parkplatz am Kellerwald und hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine kellernahe Teststation zu ermöglichen. "Viele Gäste fragen mich nach dem Annafest", so Hempel. "Das ist aktuell ganz weit weg; erst mal ist wichtig, dass wir überhaupt öffnen dürfen."
Die Gastronomen sind in dieser Zeit gut vernetzt, so hat Marcus Müller viel Feedback auf einen öffentlichen Facebook-Beitrag bekommen. Der Inhaber des Landgasthofs Lahner in Veilbronn hält die Öffnungen für schwierig und kompliziert. Zudem kritisiert er, dass die Mitarbeitenden in der Gastronomie nicht priorisiert geimpft werden. "Wenn wir wieder offen haben und hunderte Menschen bedienen dürfen, ist es schon sehr heikel", so Müller. Er ist überzeugt, dass seine Kollegen freier arbeiten könnten, wären sie bereits doppelt geimpft. Außerdem sei die Öffnungsperspektive wieder sehr kurzfristig getroffen worden. "Ich finde den Weg, den Österreich geht, besser – mit einem fixen Datum vor Pfingsten", sagt der Koch. "Bis dahin wären nochmal viele Impfungen ins Land gegangen, die Inzidenzen wären wahrscheinlich nochmal kräftig gesunken, die Gastronomie/Hotellerie hätte Zeit sich vorzubereiten, alles wieder startklar zu machen."
Zudem könnte man ein sinnvolles, einheitliches Hygienekonzept entwickeln. Zwar habe er die Luca-App vorbereitet, aber die Kontrollen bereiten ihm Kopfschmerzen. "Ich möchte nicht den Gästen schon wieder auf die Finger klopfen müssen", sagt er. Damit sein Personal nicht wieder lange, sinnlose Diskussionen zur Einhaltung der Regeln führen müsse, hat er jetzt eine Security-Firma beauftragt, die Kontrollen am Eingang zu übernehmen. Die Kosten wird er an seinem Gehalt einsparen, das er sich derzeit nicht auszahlt. Denn er muss die Raten für seinen Gasthof abbezahlen.
Müller erwartet einen "schweren Start", die Leute seien heiß. Für Sonntag vor Pfingsten habe er 100 Reservierungsanfragen, obwohl angesichts der weiter hohen Zahlen im Landkreis Bamberg nicht klar ist, ob er öffnen kann. "Die Lust der Leute, essen zu gehen, ist wahnsinnig groß, das freut uns, aber es werden Massen kommen, die versorgt werden wollen und gemeinsam müssen wir uns an alle Regeln halten."
Er will gut vorbereitet sein und wird deshalb vor Pfingsten nicht öffnen. Dann dürfen in Bayern auch wieder Ferienwohnungen, Campingplätze und Hotels öffnen. Noch wissen die Touristiker nicht, welche Vorgaben gelten. Das Konzept dafür werden Wirtschafts-, Gesundheits- und Tourismusministerium in den nächsten Wochen entwickeln – wieder sehr kurzfristig.
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