Box-Franke Arsumanjan will Europameister bleiben
22.7.2020, 10:09 UhrDer Gegner steht auch schon fest: Der aus Marokko stammende Italiener Khalil El Harraz wird darauf brennen, sein "Anrecht" auf diesen Gürtel zu bekräftigen. Eigentlich sollte er am 12. Juni der Herausforderer des Berliners Björn Schicke sein, doch die Corona-Krise verhinderte das. Der 26-Jährige mit dem Kampfnamen "Arabetto" durfte nicht einreisen.
Stattdessen bekam der gleichaltrige Marten Arsumanjan "die Chance seines Lebens", wie es sein Trainer Tuncay Kasim formuliert hatte. Schickes Boxstall Agon hatte vermutlich ein leichtes Opfer ausgewählt, doch es bekam bekanntlich anders: Arsumanjan wurde von Runde zu Runde stärker, der Berliner warf entkräftet das Handtuch.
Plötzlich war der Nobody ein Champion. "Das ist jetzt aber die schwierigste Phase", sagt Kasim. "Marten wird vom Jäger zum Gejagten – und das in jeder Hinsicht." Künftig werde er gewiss nicht mehr unterschätzt. Jeder Gegner werde ihn genau analysieren, nach Schwächen und Ansatzpunkten für Attacken suchen. Denn das Profiboxen ist ein hartes und schwieriges Geschäft, das gesamte Team des AC Bavaria Forchheim mitsamt seinem Trainer aus Ebermannstadt muss sich da noch vorsichtig hineintasten.
Zahlreiche Angebote, eigene Entscheidung
So stand schon am Tag nach dem Kampf der Agon-Stall auf der Matte mit dem Angebot eines Rematches gegen Schicke. Denn die Berliner hatten angesichts des vermeintlich sicheren Sieges nicht wie üblich diese Option im Vertrag aufgeführt. Dann folgten immer neue Vorschläge von Agon, beispielsweise Jama Saidi, genannt "The Hammer", in der Weltrangliste als 38. weit vor dem Zirndorfer Arsumanjan (90.). "Die haben zehn Tage lang jeden Tag angerufen", erinnert sich Kasim amüsiert.
Aber in Absprache mit seinem Boxer und dem neuen Manager Michael Klug beriet man sich und war sich einig: "Wir wollen das Heft des Handelns selbst in der Hand behalten." So sichtete man die zahlreichen Angebote der verschiedensten Boxställe.
Das war das Gute an der Situation: Bei der ersten Titelverteidigung hat man ziemlich die freie Wahl und kann den Ort und den Gegner sowie die Konditionen bestimmen. So entschied man sich zunächst für ein "Heimspiel". Kasim berichtet von drei Locations, die man im Kopf hatte, doch nun wird der Kampfabend laut Kasim mit relativ großer Wahrscheinlichkeit im Nürnberger Maritim-Hotel steigen – mit dem in der Szene und als Filmstar ("Macho Man") bestens bekannten Kampfsportler und Personenschützer Peter Althof als Promotor. Kasim freut sich darauf: "Der sorgt bei seinen Events immer für ein besonderes Ambiente, das sind immer auch gesellschaftliche Höhepunkte."
Unklar ist allerdings, wie Mitte Oktober die Corona-Situation sein wird. Dürfen überhaupt Zuschauer anwesend sein, und falls ja wie viele? Weitere Kampfstätten, die man im Auge hatte, waren die Fürther Stadthalle und die Event-Halle der VR-Bank in Forchheim. "Letzteres wäre halt schön für unsere Fans und Mitglieder im AC Bavaria gewesen", so Kasim. Aber mit Althof als Partner habe man sicherlich eine gute Wahl getroffen.
Die Kontrahenten haben einiges gemeinsam
Details des Rahmenprogramms sind noch nicht bekannt, aber klar dürfte sein, dass Althof die Kämpfe mit reichlich Prominenz "garnieren" dürfte. Doch das Hauptmenü soll Marten Arsumanjans Kampf sein. Gegner Khalil El Harraz hat von 13 Profikämpfen elf gewonnen; einen verloren und einen unentschieden gestaltet. Eine ähnliche Bilanz wie Arsumanjan, der bei einem Kampf weniger auch nur eine Niederlage und ein Unentschieden zu Buche stehen hat.
Und noch mehr Gemeinsamkeiten haben die beiden Mittelgewichtler laut Tuncay Kasim: "Beide sind eher von kleiner Statur und bullig. Und beide kommen weniger über die Technik, sondern wollen ihre Gegner auf die Dauer des Kampfes zermürben. Sie sind ständig im Vorwärtsgang, echte Fighter eben. Bei El Harraz muss man auf seine vielen Zweier- und Dreierkombinationen achten."
Ausflug auf die Zugspitze
Der "Gejagte", Marten Arsumanjan, ist schon jetzt wieder fokussiert auf das neue Ziel. "Er ist nicht der Typ, der abhebt. Nach dem Titelgewinn gab es 14 Tage Pause, seither sind wir ständig im Training – wenn auch nicht mit allerhöchster Intensität", sagt Kasim. Am vergangenen Wochenende waren Coach und Schützling zum Berglaufen auf der Zugspitze unterwegs, um andere Reize zu schaffen. Kasim berichtet: "Ich glaube, wir sind beide ganz gut drauf. Der eigentliche fitte Bergführer kam uns jedenfalls nicht hinterher und klagte hinterher über Krämpfe." Das regelmäßige Training in der Fränkischen Schweiz scheint sich auszuzahlen.
Mit von der Partie war auch Martens Bruder Sascha. Der Ältere der Arsumanjans hat nach Martens Coup in Berlin ebenfalls zahlreiche Angebote erhalten. Nicht alle wirklich seriös. So hätte er in Moskau fast ohne Vorbereitungszeit gegen den Asienmeister aus Kasachstan antreten sollen. Zwar gegen gute Kasse, aber vermutlich ohne Gewinnchance. Das schadet der Karriere eher. Sascha Arsumanjan soll am 24. Oktober auch einen Kampf bestreiten, doch möglicherweise vorher noch einmal in den Ring steigen, um in Topform zu kommen.
"Ein gewisses Auge"
Trainer Kasim glaubt an die Karriere beider Brüder, die ihre Laufbahn beim TSV Stein begannen und deren Cousin Ex-Weltmeister Arthur Abraham ist: "Die darf man nie unterschätzen. Sie waren vorher bei Trainern, die nicht genau hingeschaut und sie nicht voran gebracht haben. Seit drei Jahren sind sie bei mir und ich schreibe mir auf die Fahne, dass ich ein gewisses Auge habe und weiß, was sie brauchen und wie ich sie anfassen muss."
Vom sportlichen Aspekt scheint man also gut vorbereitet zu sein im Team – jetzt muss man sich nur freischwimmen im Haifischbecken Profiboxen, in dem Neulinge sich nur schwer gegen die "Großen" behaupten können.
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