Brunnen im Dorf wurden gehegt und gepflegt
2.3.2013, 20:00 UhrDie Bergdörfer in der Fränkischen Schweiz wie zum Beispiel Engelhardsberg hatten keine eigenen Quellen und litten daher unter Trinkwassermangel. Mühsam mussten die Dorfbewohner daher das Trinkwasser jeden Tag aufs neue von der Quelle tief im Tal über den steilen Weg auf das fast 100 Meter höher gelegene Engelhardsberg schleppen. Als 1913 eine Wasserleitung hoch ins Dorf gebaut wurde, die 1914 in Betrieb ging, waren die Dorfbewohner froh und erleichtert und alle halfen bei den Arbeiten mit.
Jeder Bauer aus dem Dorf hat ein Stück des Leitungsgrabens vom Brunnen hinauf zum Ort in den felsigen Hang getrieben. Vom Pumpenhaus im Tal aus beförderte eine Turbine das Wasser hinauf in den Hochbehälter, der oberhalb von Engelhardsberg steht. An die neue Wasserleitung wurden dann alle Häuser im Dorf sowie drei Brunnen angeschlossen.
Hatte man einst die Quelle geschmückt, so verlagerte sich nun aus Dankbarkeit über die große Arbeitserleichterung das Schmücken an den Brunnen — nicht nur in Engelhardsberg, sondern in der ganzen Region. Die Dörfer achteten sehr auf eine gute Pflege des Brunnens, wie der Ortschronist und Lehrer Hermann Fischer herausgefunden hat.
Quellbereich „gefegt“
So ist in Engelhardsberg überliefert, dass jährlich abwechselnd zwei Männer am Gründonnerstag zum Brunnen gehen mussten, um den Quellbereich von Unrat, den Schnee und Regen im Winter dort abgelagert hatten, zu befreien. Dabei wurde auch die Holzrinne von Moos und Schmutz gereinigt. Die zwei Männer wurden „Feger“ genannt, sie bekamen nach getaner Arbeit von jedem Haus zwei Eier überreicht.
Die Feger nahmen ihre Arbeit ernst und sie waren stolz auf ihr Tun. Daher haben sie 1913/1914 damit angefangen, den Brunnen zum Abschluss der Reinigung mit Fichten zu schmücken, wie Johann Ziegler aus Engelhardsberg oft erzählt hat. Er ist 1973 im Alter von 101 Jahren gestorben. Dieses Schmücken war wohl eine Art Verehrung des Wassers und ein Dank an sein immerwährendes Fließen. Den Brauch haben dann viele Orte übernommen und es kamen als Schmuck bemalte Ostereier dazu — außer in Engelhardsberg, wo man bis heute traditionell blieb und sogar noch das Ostersingen am Brunnen veranstaltet.
Nach Dreikönig jeden Jahres beginnen mittlerweile tausende Einheimische damit, die Vorbereitungen für den neuen Brunnenschmuck zu treffen. Es gilt hunderte zerbrochene Eierschalen vom Vorjahr zu ersetzen, also neue Eierschalen anzumalen und wetterfest zu versiegeln. Dann werden die Brunnengestänge aus den Scheunen geholt, gewartet und mit Fichtenzweigen dicht umwickelt. Bis zu 80 laufende Meter für einen Brunnen sind durchaus üblich, an denen rund 2500 Eierschalen hängen können. Und manches Mal dauert das Aufstellen und Schmücken des Brunnens wie im Bieberbach fast eine Woche. Natürlich ist das Brunnen schmücken heutzutage auch touristisch motiviert — an Ostern beginnt die Urlaubersaison in der Fränkischen Schweiz — andererseits ist ein Konkurrenzdenken entstanden: jeder Ort will einen schöneren Brunnen haben als das Nachbardorf. Gradmesser ist die Anzahl der Besucher und hier ist Bieberbach weit führend.
Mit deren Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde in den Jahren 2000 und 2002 mit 11.108 Eierschalen als „größter Osterbrunnen der Welt“ ist aus der Welle eine Flutwelle geworden, die im Falle Bieberbach bis zu 5000 „Osterbrunnengucker“ an einem einzigen Ostersamstag „herein schwemmt“. Damit wurde sogar Heiligenstadt überholt, das bis dahin als federführend in Sachen Osterbrunnenvermarktung galt.
Die erfolgreiche Vermarktung des Osterbrunnenschmückens brachte andere fränkische Gebiete auf die Idee, diesen Brauch einfach nachzuahmen, um denselben Effekt — Förderung des Tourismus durch Osterbrunnentouristen — zu erreichen. In der Frankenalb begann man schon vor vielen Jahren damit. Das Fichtelgebirge und andere fränkische Regionen zogen nach.
Handbemalte Eier
Heutzutage ist der Brauch fast in ganz Deutschland zu Hause. Aus Mangel an eigenem Brauchtumswissen importierte man gleich den Grund für das Brunnenschmücken mit: eine Kombination aus Wasserverehrung als Grundlage für menschliches Leben und Frühlingserwachen mit Beginn der Osterzeit. Als Beispiel mag der Osterbrunnen in Sulzbach-Rosenberg dienen, wo in den vergangenen Jahren bis zu 20.000 handbemalte Eierschalen eine Brunnenanlage zieren, wovon aber nur rund 5500 direkt am Brunnen befestigt sind.
Im Oberpfälzer Landkreis bewirbt man die mittlerweile 17 Osterbrunnen mit einer eigenen Osterbrunnen-Busgruppen-Broschüre. Nichtsdestotrotz kann nur die Fränkische Schweiz mit Fug und Recht behaupten, dass der Brauch einen Osterbrunnen zu schmücken aus der Region stammt — hier also seit 100 Jahren die „originalen“ Osterbrunnen stehen.
Doch der Brauch ist wohl schon viel älter: Im dritten Band der „Landes- und Volkskunde des Königreiches Bayern“ von 1865 ist zu lesen: „Noch heutzutage werden, sonderlich im Bayreuthischen, am Osterfeste die Brunnen mit Kränzen, Moos und Bäumchen verziert.“
Damit ist nachgewiesen, dass es den Brauch des Osterbrunnenschmückens schon mindestens seit 150 Jahren gibt. Eine Zeit lang wurde er aber nicht ausgeübt. Erst nach den Wirren der beiden Weltkriege erinnerte man sich in den 1950er Jahren wieder an den alten Brauch und begann damit, ihn in der Fränkischen Schweiz erneut mit Leben zu füllen.
Eine Liste mit rund 400 Osterbrunnen der Fränkischen Schweiz gibt es kostenlos in der Tourismuszentrale Fränkische Schweiz, Telefon (09191) 86-1054, ebenso im Internet unter: www.fraenkische-schweiz.com/info/veranstaltungen/ostern.html
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