Sie kämpfen um Aufmerksamkeit
Bundestagswahl: Das wollen kleine Parteien im Raum Forchheim erreichen
3.9.2021, 10:39 UhrMit CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP und AfD sind aktuell sechs Parteien im Deutschen Bundestag vertreten. Die letzten Umfragen legen nahe, dass das in der kommenden Legislaturperiode auch der Fall sein wird. Trotzdem ist an dieser Bundestagswahl etwas besonders: Der Anteil der Parteien, die unter „Sonstige“ in der Sonntagsfrage aufgeführt werden, liegt zwischen sechs und neun Prozent und damit vergleichsweise hoch. Wir sprachen mit Vertretern kleinerer Parteien aus der Region über die Wahlaussichten und ihren Wahlkampf.
„Ich bin da realistisch: Wir werden wahrscheinlich nicht von einem niedrigen einstelligen Ergebnis plötzlich auf ein hohes zweistelliges Ergebnis kommen“, sagt Lisa Lösel, die für die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) im Wahlkreis Bamberg-Forchheim kandidiert.
Ihre Motivation für das politische Engagement macht die 23-jährige Heroldsbacherin jedoch nicht von den Wahlergebnissen abhängig: „Ich mache das aus voller Überzeugung."
Lösel ist sich bewusst, dass die Grünen aufgrund der thematischen Nähe oft die eigene Partei überschatten. „Leider wissen viele gar nicht, wofür wir überhaupt stehen“, meint sie. Themen wie der Klimaschutz müssen für Lösel sofort angegangen werden. Wenn eine Partei es schafft, die Themen adäquat anzugehen, unterstützt sie das auch parteiunabhängig: „Wir müssen in der Klimakrise sowieso zusammenarbeiten.“
Den Gedanken der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene hält Hans-Günter Brünker hoch. Der 54-jährige Schauspieler aus Bamberg tritt für die Partei Volt an.
Volt ist eine europäische Partei, die in mehreren EU-Ländern zur Wahl antritt. Brünker bildet zusammen mit Rebekka Müller aus Köln das bundesweite Spitzenduo der Partei: „Übergeordnete Politik kann nicht funktionieren, wenn wir Probleme nicht europäisch lösen.“
Seine Motivation für die Kandidatur zieht er aus der Verantwortung den kommenden Generationen gegenüber. Brünker hat drei Kinder und ein Enkelkind: „Wir haben die Verantwortung, die Gesellschaft an die nächsten Generationen weiterzugeben.“
Im Bundestag möchte er sich deshalb unter anderem für Bildungspolitik, soziale Gerechtigkeit und Fiskalpolitik einsetzen. Auch das Thema Wohnraum ist ihm ein Anliegen. Die EU möchte er als Exekutivorgan stärken.
„An der EU müssen wir festhalten“, sagt er. Trotzdem sieht er die EU als reformbedürftig an, fordert etwa ein Initiativrecht fürs Parlament, um selbst Gesetzesentwürfe einbringen zu können. Seine Einschätzung, ob er in der nächsten Legislaturperiode tatsächlich im Bundestag sitzt: „Der Wahlkampf ist so verrückt, ich halte es nicht für ausgeschlossen.“ In Deutschland ist Volt bereits in verschiedenen Stadträten vertreten.
Für Jens Herzog, der für die Freien Wähler kandidiert, steht das Thema Digitalisierung im Vordergrund. Der Softwareentwickler aus Effeltrich sieht Probleme in der Infrastruktur: „Der Glasfaseraufbau geht zu langsam voran.“
Die Chance, dass die Freien Wähler tatsächlich im nächsten Bundestag sitzen werden, schätzt er als realistisch ein: „Es ist eine Tendenz erkennbar, wir erreichen aktuell zwischen dreieinhalb und vier Prozent“, so Herzog.
Der Kandidat kämpft für Bürgernähe im Bundestag: „In der Bundespolitik fehlt oft der Bezug zum Bürger.“ Neben der Digitalisierung möchte Herzog die Energie- und Mobilitätswende angehen, auch Wasserstoff als Energieträger fördern. Hinzu kommt die Bildungspolitik. Für Herzog hat die Corona-Pandemie Probleme in Schulen und Universitäten aufgezeigt. „Aber die Probleme bestehen ja schon länger“, sagt der Familienvater.
Ähnlich äußern sich die drei zum Ablauf des aktuellen Wahlkampfs: „Über Inhalte wird fast nicht gesprochen“, sagt Brünker. Er nehme den Wahlkampf noch als etwas flach wahr. Zudem sieht er ein Problem in der öffentlichen Präsenz kleiner Parteien. „Es ist ein riesengroßes Problem, dass oft nur im Bundestag bereits vertretene Parteien angefragt oder zu Podiumsdiskussionen eingeladen werden“, erklärt er.
Jens Herzog empfindet den Wahlkampf als ganz anders als sonst. „Es gibt keine Großveranstaltungen und es läuft viel über die sozialen Medien“, meint er. Lisa Lösel sieht sich oft dem Argument ausgesetzt, dass es ja keinen Sinn mache, kleine Parteien zu wählen: „Grundsätzlich empfinde ich den Wahlkampf als sehr konkurrenzgeladen.“ Trotzdem fühlt sie sich im regionalen Wahlkampf gut aufgehoben, wird zu Diskussionen eingeladen. Mit Blick auf die etablierten Parteien stellt sie fest: „Viele Parteien reden sich gegenseitig nur schlecht.“
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