Der Kandidat mit den zwei Gesichtern: Dominik Pflaum will für Forchheims AfD in den Landtag
20.9.2018, 11:00 UhrDominik Pflaum hat den Koran gelesen. Und Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“. Gerhard Schröder „war mein Kanzler“, sagt Pflaum. Den Grund für sein politisches Engagement: „Hier läuft einiges schief.“ Mit „hier“ meint er Deutschland und bei „schief“ denkt er zuvorderst an die Themen, die ihm wichtig sind: Leitkultur, Heimat, Islam. Das sind seine drei Schlagwörter.
Acht Jahre war der heutige Elektronik-Meister beruflich in Deutschland unterwegs, hat „Lebenserfahrung gesammelt und die Probleme bei der Integration gesehen“. Das habe ihn geprägt und im September 2015 zum Kreisverband der AfD geführt. Heute ist Pflaum Kreisvorsitzender. Fähigkeiten, die ihm für seine Politiker-Ambitionen wichtig erscheinen, hat der 31-Jährige in seinem Beruf gelernt, sagt er. Mit 28 Jahren habe er die Verantwortung für ein Zehn-Millionen-Euro-Projekt erhalten und 60 Mitarbeiter unter sich gehabt. Was die Mitarbeiter wollten? „Führung.“ Und diese brauche es. „Damit keine Revolution ausbricht“.
Eine „friedliche Revolution“ gegen das „System Merkel“ forderte jüngst AfD-Chef Alexander Gauland. Und auch Dominik Pflaum denkt größer, über die politischen Grenzen des Landtags, für den er auf Platz 3 der oberfränkischen Liste kandidiert, hinaus. Ein Einzug in den Landtag ist mit dieser Platzierung bei den gegenwärtigen Wahlprognosen im Bereich des Möglichen. Pflaum: „Mein Chef rechnet fest damit.“
Auch das Thema Energiewende treibt ihn um. „Die Wende funktioniert nicht“, sagt er bei einem Gespräch an einem heißen Sommermorgen in einem Café in der Forchheimer Innenstadt. Er fordert, global zu denken. Die CO2-Emissionen, die Deutschland einspare, würden an anderer Stelle in China verstärkt in die Luft ausgestoßen. Doch ohnehin bezeichnet er den Einfluss des Menschen auf das Klima als „marginal“ und erklärt seine Sichtweise: „Die Pole verschieben sich, was sie innerhalb der Weltgeschichte schon ein paar Mal getan haben.“ Das verändere das Klima entscheidender.
Nicht nur mit Politik will Pflaum etwas bewegen, sondern die Politik selbst. „Die etablierten Parteien machen längst keine Politik mehr fürs Volk“, ist eine seiner Aussagen. Pflaum kandidiert für den Stimmkreis Forchheim, also für den Landkreis Forchheim. Wie würde er sich in München einsetzen, um den ländlichen Part des Kreises zu stärken? „Wir bräuchten eine Kampagne fürs Land. Schließlich leben wir hier in einem Paradies.“ Doch wie die jungen Leute konkret davon überzeugen, ihren Lebensmittelpunkt in der Fränkischen Schweiz zu suchen, zu finden und zu halten? „Das müsste man zunächst analysieren.“
"Neukölln" in Forchheim-Nord
Und Konzepte für die Nahversorgung mit Einkaufsmärkten, Schulen oder Ärzten auf dem Land? „Wir müssen sehen, wo die Bedürfnisse liegen, erst mal den Ist-Zustand betrachten.“ Und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)? „Ob der ÖPNV in einem guten oder schlechten Zustand ist, weiß ich nicht“, sagt Pflaum. Auch dafür brauche es eine Analyse, der Bürger müsse gefragt werden.
Bei einem weiteren Thema, das den hiesigen Kreis in der Vergangenheit beschäftigt hat, wird Pflaum deutlicher: Die abgeschaffte Straßenausbaubeitragssatzung mit Zuschüssen des Freistaates auszugleichen, bezeichnet er als „reinen Sozialismus“. Pflaum plädiert für die bisherige Lösung, die Kosten verursachergerecht auf die anliegenden Bürger einer sanierten Straße zu verteilen.
Dass das große Ganze der Politik im Fokus des Kandidaten steht, spiegelt sich auch auf der Internetseite des AfD-Kreisverbandes wieder. Unter dem Punkt „Informationen zur Lokalpolitik der AfD“ verweist der Kreisverband lediglich darauf, dass die etablierten Parteien „längst schon keine Politik mehr für das Volk“ machen. Der aktuellste Inhalt beschäftigt sich mit der „Orgie der Gewalt“. Die AfD bezeichnet damit abgerissene Wahlplakate in Egloffstein.
Zunächst mit einer Analyse will Pflaum auch das Thema Integration im Lokalen angehen. Forchheim-Nord sieht er als Problemviertel an. Er meint: „Das ist wie in Neukölln“ – ein Berliner Stadtbezirk mit einem hohen Anteil an Migranten. Generell glaubt er, dass die Politik beim Themenkomplex Integration und Islam zu lange nur zugeschaut habe.
Lebensart schützen
Es gelte, „unsere Lebensart“ zu schützen, sagt Pflaum. Minderheiten sieht er bedroht und verweist dabei beispielhaft auf einen Überfall, der von Migranten auf homosexuelle Männer stattgefunden habe. Im Landtag von Sachsen-Anhalt konnte sich ein Parteikollege Pflaums dafür erwärmen, Homosexuelle wie in nordafrikanischen Ländern zu behandeln: mit Unterdrückung und Gefängnisstrafen. Auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke äußerte sich wiederholt kritisch gegenüber jener Minderheit.
Zu Höcke sagt Pflaum: „Es gibt in jeder Partei fragwürdige Menschen, auf uns aber schlägt man ein.“ Pflaum holte Höcke nach Forchheim. Dort sprachen beide auf dem Paradeplatz zu rund 200 AfD-Anhängern aus der Region. Einer von ihnen, noch ohne Parteibuch, kam aus dem westlichen Landkreis. Seinen Wohnort oder Namen will der Mann nicht in der Zeitung lesen. Die Zeit sei noch nicht reif dafür, er wolle seinen Ruf bei den Nachbarn nicht gefährden. Die 1000 Gegendemonstranten an dem Tag bezeichnet er als „ferngesteuerte Schafe unserer Regierung“.
Dazu zählen für ihn auch die Medien, weshalb er anfangs nicht mit den NN sprechen wollte. Sein Thema ist die Flüchtlingsbewegung. „Ich befürchte, dass wir mal als Arbeitssklaven für die anderen gehalten werden.“ Die Angst ist nicht real: „Wir wohnen draußen auf dem Land, noch ist nichts zu spüren, doch die Zeiten werden nicht besser“, meint er.
Höcke polarisiert in seiner Rede. Spricht von Schülern als „zukünftige Soldaten“. Die CSU-Bildungspolitik „hat unsere Armee zerstört“, sagt er, um im nächsten Atemzug eine mangelnde Ausstattung der Bundeswehr zu kritisieren. Und auch Pflaum schlägt bei seiner Rede lautere Töne an, seine Stimme scheint sich auf dem Höhepunkt fast zu überschlagen.
Von der Besonnenheit, mit der er beim Gespräch im Café von den „Probleme unseres Landes“ spricht, scheint keine Spur mehr zu sein.
"Schärfer aufgetreten"
Er sei bewusst „schärfer aufgetreten“, sagt er nach seinem Auftritt, um beide Flügel der AfD zu bedienen, den liberalen und nationalen. Mit zwei Gesichtern wolle er die Strömungen in der Partei und der Wählerschaft bedienen, sagt er. Das zeigt er auf zwei unterschiedlich gestalteten Plakaten. Auf dem einen lacht er, auf dem anderen blickt er den potenziellen Wählern mit ernster Miene entgegen.
Gegen die lautstarken Gegendemonstranten streckt ein AfD-Anhänger die Hand in die Höhe und ruft „Heil Hitler!“ Pflaum sagt, dafür kein Verständnis zu haben. „Das ist nicht unser Publikum.“ Er will eine „geistig-moralische Wende“ in einem Land, in dem Angela Merkel als Bundeskanzlerin das Ziel habe, Deutschland „zu schaden“.
Pflaums Eltern und Schwester verfolgen den Auftritt in Forchheim. „Wir sind sehr stolz“, sagen sie. Einer fehlt in der Reihe der Familie. Pflaums kleiner Bruder. Er distanziere sich vom Engagement seines Bruders, sagt Mutter Anita: „Unser Kleinster ist beruflich in der großen Welt unterwegs. Der sieht sie deshalb mit anderen Augen.“
Die Landtagswahl-Direktkandidaten im Landkreis Forchheim finden Sie hier.
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