Fitnessstudios: "Hauptsache, wir dürfen wieder öffnen"

11.3.2021, 15:00 Uhr
Beim AC Bavaria Forchheim hat - ganz corona-konform - das kontaktfreie Boxtraining des Nachwuchses begonnen, was Trainer Jörg Braun glücklich macht.

© Holger Peter, NN Beim AC Bavaria Forchheim hat - ganz corona-konform - das kontaktfreie Boxtraining des Nachwuchses begonnen, was Trainer Jörg Braun glücklich macht.

Für den Lady Fitness Club spricht nicht die Inhaberin Mandy Mazur, sondern ihr Ehemann Jan. Der Grund ist einfach: Die Chefin darf seit Montag endlich wieder wenigstens Fußpflege anbieten und hat da jetzt eine Flut von Terminen nachzuholen. Da hat der Ehemann, der Mitbetreiber des Studios ist, aktuell etwas mehr Zeit für Gespräche mit der Presse. Beide arbeiten mit Hochdruck auf den 22. März hin – mit allen Unwägbarkeiten hinsichtlich Inzidenzwerten und eventueller neuer Vorgaben.

Während in Franken also noch geplant wird, haben Studios in Hessen schon geöffnet, ein Sportler pro 40 Quadratmeter ist zugelassen. Etwas über 300 Quadratmeter haben die Mazurs in Forchheims Süden, also dürften maximal sieben Frauen gleichzeitig in die Räume, falls man die hessischen Richtwerte zugrunde legt. Allerdings fehlen für Bayern noch solche Vorgaben, was Mazur frustriert, zumal ja auch noch lokale Sonderregeln dazu kommen können.

Angesichts der aktuellen Infektionszahlen geht er für den Re-Start nicht davon aus, dass man bis zum 22. März unter die 50 kommt – und so müsse man wohl damit planen, dass die Kundinnen nur mit tagesaktuellem Schnelltest ins Studio kommen dürfen. "Am Ende wird es wahrscheinlich so sein, dass wir den Test vor dem Einlass machen lassen, um wirklich eine gewisse Sicherheit zu haben", sagt Jan Mazur.

Nachverfolgbarkeit ist gesichert

Prinzipiell hätten die meisten Fitnessstudios ja den Vorteil, dass sie dank automatischem Check-In und Check-Out schon immer nachweisen konnten, wer von wann bis wann da war. Die Nachverfolgbarkeit der Kontakte sei also gewährleistet. Auch ein ausgeklügeltes Lüftungskonzept habe man im Sommer 2020 eingeführt, dazu weit mehr desinfiziert, als die Behörden verlangt hätten.

Hingegen vermisst er von der Politik klare Ansagen: "Wir wissen nicht, ob auch wir und unsere Mitarbeiter uns täglich testen müssen, haben keine Vorgaben für das Gruppentraining." Dennoch sei es wichtig, "dass wir überhaupt wieder aufmachen dürfen". Zwar habe man sehr kulante Vermieter, aber es müsse wieder Geld in die Kasse kommen. Da hätte es den Mazurs schon sehr geholfen, wenn man wenigstens das EMS-Training (Elektromyostimulation) hätte weiterführen können. Dazu wäre stets eine Kundin unter Aufsicht eines Trainers mit Zeitpuffer zur nächsten an das Gerät gegangen.

Fitnessstudios:

© Foto: Holger Peter

"Unproblematisch für das Infektionsgeschehen", findet Jan Mazur, der ohnehin glaubt, dass seine Branche oder Gastronomie und Einzelhandel mit ihren Konzepten nicht die Auslöser von Corona-Hotspots gewesen seien. Sein Fazit nach fast einem Jahr Pandemie: "Gerade den kleinen Unternehmen wurden und werden immer wieder Steine in den Weg gelegt." Von der Kritik nimmt er das hiesige Ordnungsamt aus, das stets versucht habe, Lösungen zu finden.

Desillusioniert und wütend

Norbert Zettl, der Chef der Forchheimer Niederlassung der Kette clever fit, ist völlig desillusioniert und sieht eine Wiedereröffnung noch in weiter Ferne: "Mit dem desaströsen Management unserer Regierung stehe ich einer Öffnung aktuell sehr skeptisch gegenüber. Wie sollen wir das Testverfahren einbringen? Glauben wir jedem Kunden einfach, wenn er uns irgendeinen Test vorzeigt? Laut Karl Lauterbach sind 60 Prozent der Selbsttests falsch. Testen wir vorm Studio und lassen dadurch die Kunden möglicherweise 20 Minuten draußen stehen und warten?"

Man könne das personaltechnisch nicht stemmen. Was noch hinzukomme, seien die Terminvergaben. Noch sei auch nicht bekannt, wie viele Quadratmeter für einen Kunden bereitgestellt werden müssen. Zettl: "Ich glaube, irgendwo gelesen zu haben, dass im Einzelhandel zwischen 20 und 40 Quadratmeter für einen Kunden gelten, das wäre bei uns so, dass wir etwa 25 Sportler ins Studio lassen könnten – Tests vorausgesetzt und dass wir das softwaretechnisch abbilden können. Die Regierung setzt also hier einfach pauschal darauf, dass jedes mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung vorn dran ist, wenngleich sie selber dabei immer wieder kläglich versagt. Ist das die Lösung für die Öffnungsstrategie?", fragt Zettl angesichts seiner Vorwürfe eher rhetorisch und fügt an: "Wir sind ein Dienstleister, können unseren Dienst mit einer solch undurchdachten ,Strategie‘ unseren Kunden allerdings nicht wirklich antun."

"Es geht um die Wurst"

"Für uns geht es um die Wurst", sagt Stefan Seeber, Geschäftsführer bei Fit & Fun in Forchheim. 20 Prozent der vor Corona 700 Mitglieder hätten inzwischen gekündigt, 30 Prozent die Zahlungen ausgesetzt. Beim ersten Lockdown seien die Kunden noch bei Laune zu halten gewesen, doch nun brächen viele weg. Die Kosten – vor allem die Pacht – liefen jedoch weiter, die zehn Mitarbeiter habe man inzwischen ausgestellt, nur die zwei Auszubildenden beschäftige man weiter.

"Aufmachen, egal wie!", lautet Seebers Wunsch. Denn dann könne man wieder Beiträge von denjenigen verlangen, die derzeit pausieren. Es würde Seeber reichen, auf Terminbasis mit deutlich reduzierter Besucherzahl auf rund 400 Quadratmeter Studiofläche arbeiten zu können, Außensport sei hier leider nicht möglich. Zudem sei die Kundschaft zu großen Teilen älter, da käme so ein Angebot wohl nicht so gut an.

Auf staatliche Hilfe hat das Studio beim zweiten Lockdown übrigens verzichtet, weil kein Steuerberater garantieren könne, dass man das Geld nicht doch zurückzahlen müsse. "Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben", umschreibt er die Geschäftslage.

Viel investiert

Dabei habe man viel investiert: Die Verfolgung der Infektionsketten sei gewährleistet, das Hygienekonzept sei optimal, man habe sogar als eines der wenigen Studios eine Lüftungsanlage mit Luftaustausch. Mehr könne man nicht unternehmen, eine Öffnung dürfe nicht mehr lange aufgeschoben werden, denn "zum einen brauchen unsere Mitglieder ihren Sport, und zum zweiten: Uns gehen langsam die Taschentücher aus", sagt Seeber.

Auch Matthias Ruschig von der Muckibude Forchheim hat jetzt lange Zeit kein Geld verdient. Aber er hat gleich drei Faktoren, die ihn zuversichtlicher in die Zukunft blicken lassen als die meisten Kollegen: Erstens hat er einen verständnisvollen Vermieter, der sogar von sich aus einen Nachlass angeboten hat, zweitens bietet er auf seinen nur 100 Quadratmetern im Stadtzentrum vor allem die EMS-Therapie an und drittens betreibt er in seinen Räumen einen Laden für Nahrungsergänzungsmittel, der komplett geschlossen werden musste. Daher kam er problemlos in den Genuss von staatlicher Hilfe.

In der Zwischenzeit hat Matthias Ruschig seinen Mitgliedern Online-Training geboten, Trainings- und Ernährungspläne geschrieben und kleine Challenges veranstaltet. Bei ihm haben – "auch dank vieler intensiver Gespräche" nur jeweils zehn Prozent der Kunden gekündigt oder die Zahlungen ausgesetzt.

Wer zahlt die Schnelltests?

Auf den Re-Start freut er sich sehr, macht sich aber noch Gedanken, wie er das mit den Schnelltests auf die Reihe bekommen soll. "Trete ich da in Vorleistung oder sind die Kunden bereit, das zu zahlen? Und kann ich einem mitgebrachten negativen Testprotokoll vertrauen? Aber ich denke, ich werde da schon eine Lösung finden."

Jörg Braun ist als alter Haudegen im Boxen kaum verdächtig, ein Weichei zu sein, aber er gibt zu: "Der lange zweite Lockdown ist mir an die Nieren gegangen. Der AC Bavaria ist doch meine zweite Familie. Ohne das Online-Training mit den Kindern wäre ich in ein großes Loch gefallen."

Nun sieht er Licht am Ende des Tunnels. Dank der 2020 fertiggestellten Außenanlage kann der AC Bavaria schon einige Kurse wieder anbieten. Ohnehin habe man vieles gut gemacht, findet Braun. So habe der Verein für Kursteilnehmer in "Jumping" oder "Hot Iron" Mini-Trampoline und Hanteln quer durch den Landkreis transportiert. Die Austritte hätten sich so in Grenzen gehalten, trotz großer Investitionen stehe der AC, der auf den beiden Säulen Verein und GmbH für das Kurssystem ruht, finanziell noch gut da, sagt Braun.

Es wartet viel Arbeit

Konzepte für den Wiederbeginn in den Innenräumen des Geländes ab 22. März würden derzeit erarbeitet. Aus dem Vorjahr weiß Braun, was auf ihn und die anderen Vorstandsmitglieder zukommt: "Viel Arbeit, bergeweise Verwaltungskram und Ärger daheim – letztes Jahr hat meine Frau ganz schön geschimpft." Aber natürlich nehmen die Kraftsportler auch heuer diese Extralast auf sich: "Alle wollen wieder ihre Kumpels im Training sehen."

Ganz auf das Pferd "Online-Kurse" hat man bei weiter-bewegen.de gesetzt. Chefin Caro Bregulla berichtet, dass es zahlreiche Abos gebe von Menschen, "die festgestellt haben, dass es schon ein Vorteil ist, bei schlechtem Wetter nicht mehr vor die Tür gehen, Parkplätze suchen und in fremden Räumen duschen zu müssen".

Aber natürlich wünsche sie ihren Kolleginnen und Kollegen in der Fitnessbranche eine baldige Rückkehr in die Normalität. Schließlich haben sich an ihrem Projekt, das sie gemeinsam mit Tennislehrer Harry Payrleitner gestartet hatte, viele Übungsleiter aus der gesamten Region ehrenamtlich beteiligt.

"Die Zahlen müssen stimmen"

Man werde die Entwicklung natürlich genau verfolgen. Caro Bregulla: "Wir stehen voll hinter der Sache, und noch haben wir ordentliche Teilnehmerzahlen. Aber wir haben schon jetzt gemerkt, dass diese durch die ersten Öffnungen etwas zurückgegangen sind. Weil manche an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt sind, etwa Leute, die zuvor viel in Kurzarbeit oder im Homeoffice waren. Falls die Zahlen irgendwann nicht mehr stimmen sollten, könnte es sein, dass es weiter-bewegen.de nicht mehr geben wird. Schließlich müssen auch wir rentabel arbeiten."

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