Forchheim: Fehlende Visa verschärfen Pflegenotstand

2.10.2018, 06:00 Uhr
Forchheim: Fehlende Visa verschärfen Pflegenotstand

© Foto: Huber

Es ist kein Geheimnis: In vielen Pflege- und Seniorenheimen arbeitet das Personal längst am Limit. Der Bedarf ist da, die Betten sind alle belegt, aber oft ist die Arbeit ohne die Unterstützung durch ausländische Pflegekräfte längst nicht mehr zu schaffen. Das weiß auch Martin Alfsmann, Leiter der Berufsfachschule für Altenpflege des Berufsbildungszentrums bfz in Forchheim.

Bereits seit dem Jahr 2005 kümmert er sich um die Anwerbung von Interessierten und Fachkräften aus China und Bosnien-Herzegowina für örtliche Seniorenheime — und solche in der gesamten Region. "Der Anfang war recht bescheiden, das war damals mit einer Chinesin", erinnert er sich.

Im vergangenen Jahr kamen über das bfz Forchheim 16 ausländische Pflegekräfte nach Deutschland. Immerhin 14 durften bleiben — zwei haben allerdings die sechsmonatige Probezeit mit den Sprachprüfungen nicht geschafft.

Obwohl Heime in Forchheim, Höchstadt, Hemhofen und Erlangen händeringend nach Pflegerinnen und Pflegern suchen, scheitern viele Nachwuchspflegerinnen schon bei der Anreise.

"Der Flaschenhals ist die deutsche Botschaft in Sarajewo", beklagt der Schulleiter und bfz-Chefvermittler Martin Alfsmann. Dort würden pro Tag nur vier Visa-Termine vergeben. Inzwischen stapeln sich in der Botschaft aber allen Sonntagsreden deutscher Politiker zum Trotz 52 000 Visa-Anträge.

Ärger über restriktive Haltung

"Ich hoffe sehr, dass diese Quote endlich heraufgesetzt wird", so der Schulleiter. Zugleich kritisiert er die bisherige "restriktive" Haltung der Bundesregierung bei der Einreise der so begehrten Fachkräfte. Er unterstellt der Bundesbürokratie keine böse Absicht, sagt aber: "Da fehlt einfach Personal in der Visa-Abteilung."

Die Misere habe dazu geführt, dass in Seniorenheimen in Bamberg oder Höchstadt bereits Pflegezimmer trotz freier Betten mangels Personal geschlossen werden mussten. Ziel der bfz-Ausbildungsprojekte in Bosnien und China sei allerdings nicht, Fachkräfte aus dem Ausland abzuziehen. Stattdessen wolle man selber hier in Forchheim und Heimen der Region ausbilden. Dabei hat er auch die hierzulande untergebrachten Flüchtlinge im Blick.

Viele müssten mangels Vorbildung vor ihrer gewünschten dreijährigen Ausbildung zum Altenpfleger oder der einjährigen zum Altenpflegehelfer erst die Berufsfachschule für Sozialpflege absolvieren. Dauer: zwei Jahre. Dabei wird dann aber auch die Mittlere Reife erworben. 

"Rund die Hälfte aller jetzigen 26 Schüler hat einen Migrationshintergrund." Gerade beim Wettbewerb um deutschstämmige Realschüler würden Sozialberufe wie Pfleger oder Erzieher oft ins Hintertreffen geraten. "Solche Realschulabsolventen haben noch ganz andere Ausbildungschancen."

Ein weiteres Problem sind die 100 Euro monatliches Schulgeld für die Berufsfachschule für Sozialpflege. "Flüchtlinge haben das Geld einfach nicht." Sie zahlen "nur" die Hälfte. Alfsmann plädiert für eine Abschaffung der Schulgebühr, bisher vergeblich. Mit einer erfolgreichen Anwerbung ausländischer Mitarbeiter ist es aber nicht getan. "Die neuen Mitarbeiter brauchen Hilfe bei der Wohnungssuche, bei Behörden und bei Handyverträgen."

In Forchheim macht das jetzt auch der Verein IGP (Institut Gesundheit und Pflege). In zwei Fällen hat Alfsmann selbst für Wohnungen gebürgt. Ganz privat, als Ehrenamtlicher. Ganz offiziell ist dagegen der ausbildungsbegleitende Sprachunterricht für Zugereiste an jedem Samstag.

Dialekt schwer zu verstehen

Aber auch ein respektables B 2-Sprachzertifikat ist keine Gewähr für beste Verständigung im Seniorenheim. Das bestätigt auch der Leiter des Jörg-Creutzer-Seniorenheimes in Forchheim, Jochen Misof. "Der B 2-Schein nützt nicht viel, wenn der zu Betreuende aus Kirchehrenbach oder Leutenbach stammt und oberfränkischen Dialekt spricht."

Sein Positiv-Beispiel ist aber eine Rumänin, die nach drei Deutschkursen praktisch perfekt und (fast) akzentfrei Deutsch spricht. "Sie ist wirklich super."Pflegezimmer schließen musste er in dem von ihm verantworteten Jörg-Creutzer- oder dem Wichernheim noch nicht. Gerade bei der Kurzzeitpflege wird es aber schon knapp. "Manche Angehörige haben schon in einem Umkreis von 50 Kilometern gesucht und nichts gefunden." Auch in seinen Heimen muss man schon etwas Glück haben, um ein Kurzzeitpflegebett zu ergattern.

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