Forchheimer Landratsamt: Rauswurf aus Aufsichtsrat war nicht gerechtfertigt
24.7.2020, 06:58 Uhr"Ich schreie hier nicht Hurra", sagt FGL-Chef Gerhard Meixner. Dabei hätte seine Fraktion eigentlich Grund zur Freude: In der Kontroverse um seinen Parteikollegen Steffen Müller-Eichtmayer hat die Rechtsaufsicht des Landratsamtes jetzt ein vorläufiges Urteil gefällt. Und das spricht von "deutlichen Bedenken" hinsichtlich des Rauswurfs des FGL-Rats aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke Forchheim (wir berichteten fortlaufend). Man halte auch eine Abberufung Müller-Eichtmayers aus dem Kontrollgremium per nachträglichem Stadtratsbeschluss für "nicht gerechtfertigt".
Ein solcher Beschlussvorschlag aber stand auf der gestrigen Tagesordnung der Stadtratssitzung. Der Unmut darüber ist Meixner anzuhören: Die FGL habe eine lange Woche intensiver Beratungen innerhalb der Fraktion und stundenlange Gespräche mit der Rechtsaufsicht hinter sich, erzählt er. "Das Schlimmste, was nun passieren könnte, wäre, wenn die Leute auf stur schalten und sagen: Wir schmeißen den Steffen trotzdem raus", so Meixner. "Damit würden die Stadtwerke beschädigt." Und nicht zuletzt auch das ohnehin wechselhaft bis bewölkte politische Klima Forchheims.
Großer Eklat
Der Streitfall im Schnelldurchlauf: Erst wurde Müller-Eichtmayer einstimmig vom Stadtrat in den Stadtwerke-Aufsichtsrat bestellt. Dort allerdings ließ der Aufsichtsratsvorsitzende, OB Uwe Kirschstein (SPD), in der ersten Sitzung darüber abstimmen, ihn gleich wieder auszuschließen. Grund: eine mögliche "Interessenkollision". Müller-Eichtmayer ist nämlich Sachbearbeiter beim Nürnberger Energieversorger N-Ergie.
Mehrheitlich war man im Aufsichtsrat für den Ausschluss, ein verblüffter Müller-Eichtmayer verließ die Sitzung. Der große Eklat dann in einer zweiten Sitzung des Gremiums: Wieder ließ Kirschstein über den FGL-Rat abstimmen, wieder sollte er gehen. Diesmal weigerte sich Müller-Eichtmayer, pochte auf den Stadtratsbeschluss – und der OB habe ihm daraufhin mit der Polizei gedroht, so die FGL. Alle Grünen-Mitglieder des Aufsichtsrats verließen unter Protest den Saal.
"Karten offen auf den Tisch gelegt"
"Man hat ihm von vornherein einen Interessenskonflikt unterstellt, dass er ,Geheimnisverrat‘ betreiben würde", ärgert sich Meixner. Dabei habe die FGL im Vorfeld ausführlich über den Aufsichtsratsposten diskutiert, sich die Unbedenklichkeit der Personalie intern (von Rechtsanwalt und FGL-Rat Emmerich Huber) wie extern (durch eine Bamberger Rechtsberatung) versichern lassen. Obwohl die Grünen keinerlei Interessenskonflikt erkannten – Meixner: "Wir hätten es also gar nicht ansprechen müssen"– seien er und Müller-Eichtmeyer (wie berichtet) noch vor der konstituierenden Stadtratssitzung im Mai auf Kirschstein zugegangen, um ihn über Müller-Eichtmayers beruflichen Hintergrund zu informieren.
"Wir haben die Karten offen auf den Tisch gelegt", sagt Meixner. "Hätte der OB Bedenken gehabt, hätte er sie in der Sitzung thematisieren müssen." Das war aber offenbar nicht der Fall, wie man in Forchheim so schön sagt.
Die Rechtsaufsicht am Landratsamt urteilt: "Allein die Tatsache, dass Herr Müller-Eichtmayer Angestellter eines zum Teil oder möglicherweise in bestimmten Fällen konkurrierenden Energieunternehmens ist, führt noch nicht automatisch zum notwendigen Ausschluss." Das gelte umso mehr, da es "wohl unstrittig" sei, dass Müller-Eichtmayer nicht als N-Energie-Vertreter im Aufsichtsrat sitze, sprich: er im Unternehmen keine leitende Funktion ausübe, kein "Vorstandsmitglied mit umfassenden Vertretungsvollmachten" ist.
Zur Verschwiegenheit verpflichtet
Der Chef der kommunalen Fachaufsicht am Landratsamt, Frithjof Dier, ergänzt: "Im Wesentlichen sind alle Mitglieder eines Aufsichtsrates zur Verschwiegenheit verpflichtet." Ein Mitglied würde sich – ebenso wie ein Gemeinde- oder Stadtrat – strafbar machen, würde er Informationen aus dem Gremium für (oder gegen) seinen Arbeitgeber verwenden.
"Völlig konfliktfrei" sei die Causa Müller-Eichtmayer nicht, sagt der Rechtsexperte. Das berüchtigte "Gschmäckle" bleibe, wenn ein Mitglied des Kontrollgremiums eines Energieunternehmens beruflich bei einem anderen Energieunternehmen tätig ist. Oder, wenn ein Aufsichtsrat des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz in leitender Funktion bei einem anderem Gesundheitsunternehmen arbeitet (siehe unten). "Aber", so Dier, könne er sich "kaum einen Fall vorstellen", in dem dieses Mitglied aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden könne – "das ist eher eine moralische Frage".
Vor der Stadtratssitzung war OB Kirschstein nicht für die NN zu erreichen. Einen freiwilligen Rückzieher um des lieben Friedens Willen will die FGL in Sachen Müller-Eichtmayer jedenfalls nicht machen. "Die einzig vernünftige Vorgehensweise wäre", sagte Meixner, "wenn der OB diesen Punkt erst einmal von der Tagesordnung nehmen würde". Den Gefallen tat ihm der OB dann. Er bezeichnete in der Sitzung das Vorgehen des Landratsamtes, Stellung zu nehmen "zu einem Beschluss, den wir vielleicht fassen", als ein "vielleicht bayernweites Novum". Das will Kirschstein mit der Regierung von Oberfranken besprechen und dann im September darüber entscheiden lassen, ob Müller-Eichtmayer Mitglied des Aufsichtsrates bleiben darf.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen