Forchheimer sprintet zum Europarekord

Holger Peter

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27.7.2020, 17:18 Uhr
Forchheimer sprintet zum Europarekord

Deutscher Meister, Europameister, Weltmeister: viele Titel hat Jan Schindzielorz in der Seniorenklasse bereits gesammelt. Am Sonntag saß der "Oldie" in Regensburg wieder einmal neben der deutschen Spitze der Aktivenklasse im Startblock – und war am Ende mehr als überrascht über einen Europarekord der M40 über 110 Meter in 14,05 Sekunden.

 

Herr Schindzielorz, vor einigen Wochen hatten sie noch gemutmaßt, dass das Leistungsniveau in der Leichtathletik durch die Pandemie insgesamt sinken würde. Ihnen scheint die Corona-Krise nicht geschadet zu haben . . .

Bedingungen waren top

. . . anscheinend nicht. Und das Training auf dem Radweg in Dietzhof war offenbar sehr erfolgreich (Anmerkung der Redaktion: da waren die NN Ende April für eine Trainingsreportage in Corona-Zeiten zu Gast). Vielleicht liegt es daran, dass man mehr Zeit hatte, an den Grundlagen zu arbeiten, die man sonst beim alltäglichen Planen von Wettkampf zu Wettkampf leicht vernachlässigt. Und die Bedingungen waren auch top: Wunderbar warmes Wetter und fast die gesamte deutsche Elite am Start. Da läuft man automatisch schneller.

 

Sie durften als Altersklassenathlet ja über niedrigere Hürden an den Start gehen als die Konkurrenz. Wie kam es dazu?

In diesem Jahr wurden ja bisher alle Meisterschaften für die Senioren abgesagt. Erstens, weil da viele ältere Sportler zur Risikogruppe zählen, zweitens handelt es sich eh um Nischenveranstaltungen, da haben die Vereine lieber andere Schwerpunkte gesetzt. Und daher habe ich in Regensburg recht kurzfristig angefragt, ob man für mich ausnahmsweise eine Außenbahn mit den niedrigeren Hürden freihalten könnte. Das hat geklappt.

 

Griff in die Wundertüte

Und im Rennen lief es ja auch rund. Hatten Sie damit gerechnet?

Ich habe geahnt, dass ich ganz gut drauf bin. Aber im Training bin ich nie die ganze Strecke im Wettkampftempo durchgelaufen, maximal fünf Hürden statt zehn. Und wenn es mehr Hürden waren, dann waren die Abstände geringer. Und weil ich sonst noch keinen Wettkampf hatte, war es schon so etwas wie eine Wundertüte. Umso überraschter war ich über die Zeit. Ich war ja sogar schneller als vor drei Jahren in der M35 beim Europameistertitel in Dänemark. Das freut mich natürlich schon.

 

In diesem Jahr wäre ja die Senioren-Weltmeisterschaft in Toronto gewesen . . .

Ja, da wäre ich schon sehr gerne gestartet. Denn bei meinem WM-Titelgewinn 2018 in Malaga fehlten ja viele Spitzenläufer aus den USA, Kanada und der Karibik, weil sie die lange Anreise scheuten. Mit denen hätte ich mich schon gerne gemessen. Und der Titel ist ja noch mal mehr wert, wenn man die Allerbesten besiegt hat.

 

Wie hoch ist denn überhaupt der Stellenwert der Seniorenwettkämpfe einzuschätzen?

Das Feuer brennt noch bei den "Alten"

Der steigt auf jeden Fall. Vor einigen Jahren wurden die "Alten" meistens noch belächelt. Doch inzwischen gibt es immer mehr Ex-Profis, die nach dem Ende der Laufbahn und einer gewissen Pause für die berufliche Entwicklung und die Familienphase merken, dass das Feuer für die Leichtathletik noch brennt. So startete bei der Hallen-Weltmeisterschaft in der M40 ein gewisser Francis Obikwelu für Portugal. Der ist immer noch der schnellste 100m- Sprinter Europas mit 9,86 Sekunden. Solche Stars sorgen dafür, dass das verstaubte Image der Senioren-Leichtathletik langsam bröckelt.

 

Sie selbst waren auch zumindest ein Halb-Profi. Wieso kehrten sie 2016 zurück?

Ich habe ja auch zehn Jahre komplett pausiert. Aber dann habe ich gemerkt, dass Mountainbiken und Joggen in der Fränkischen Schweiz mir nicht reichte. Und Leichtathletik ist keine Sportart, die man nur trainiert. Die lebt von den Wettkämpfen, von Zeiten und Weiten. Da brach die alte Leidenschaft wieder durch.

 

"Die ganze Bandbreite"

Und wie erlebten sie den Wechsel in die Senioren-Szene?

Ach, die Stimmung ist super. Da gibt es die gesamte Bandbreite vom Ex-Profi über die Verrückten und die Ambitionierten hin zu Freizeitsportlern, die sich ein paarmal im Jahr vergewissern wollen, "ob es noch geht". Und für viele Ältere sind diese Meetings der Ersatzverein. Denn wenn man erst einmal 70 ist, ist man oft im gesamten Umfeld der einzige, der überhaupt noch Sport treibt.

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