Grab-Funde: Kersbach ist 3000 Jahre älter als gedacht
10.4.2017, 06:00 UhrDie sterblichen Überreste auf dem Bild zeigen den bisher wohl ältesten Kersbacher Einwohner. So alt, dass es den heutigen Ort so noch gar nicht gab. Aber eine andere steinzeitliche Siedlung am Zusammenfluss von Regnitz und Wiesent. "Oft ist an solch prominenten Stellen erst ein Gräberfeld da, und danach siedeln sich Menschen an." Und "Er", das ist bisher das einzige, was wissenschaftlich sicher erscheint, ist schon lange tot und begraben.
Damals herrschte in Mitteleuropa die sogenannte Glockenbecher-Kultur vor, in der Stein- und noch keine Metallwerkzeuge verwendet wurden. "Er ist in der typischen zusammengekrümmten Hockerhaltung zu sehen." Dabei hatte man ihn, irgendwann zwischen 2600 und 2200 vor Christus, auf den Schultern liegend bestattet. "Im Laufe der Zeit hat sich der Körper im Grab gedreht."
Henkeltassen und mehr
Noch ein zweites, mit Beigaben wie Henkeltassen, Geräten aus Tierknochen und Feuersteinen versehenes Grab konnte Grabungsleiter Matthias Tschuch sichern. Die Leiche hatte die Jahrtausende aber nicht überstanden. Ihr Nachbar hatte hingegen Glück, verfüllten die Nachkommen seine letzte Ruhestätte doch mit Lehm und verhalfen ihm so zumindest archäologisch zu ewigem Leben.
Vier Siedlungen konnte der Fachmann für Ur- und Frühgeschichte rund um Kersbach ausmachen, wobei er eine in Poxdorf nicht näher beleuchtete. Der Blick fiel auf ein kleines Areal westlich des Bahnhofes, wo knapp 200 Befunde nachgewiesen werden konnten. "Das sind sichtbare Spuren im Erdreich, die durch ihre Verfärbung auf Pfostengruben hindeuten."
Mithilfe einiger Keramikscherben ist dennoch eine — nicht sehr zielgenaue — Datierung in die Bronzezeit (2200—800 vor Christus) möglich. "Die Gegend war aber wohl bereits nach der letzten Eiszeit durchgehend besiedelt, wie Funde aus dem Mesolithikum nahelegen." Man dürfe sich das mit der Sesshaftigkeit nicht so wie heute vorstellen. "Man lebte einige Jahre, vielleicht Jahrzehnte an einer Stelle, und sobald der Ackerboden oder der Wald erschöpft waren, wechselte man."
Nördlich des Bahnhofes glaubten die Archäologen erst einmal, nichts zu entdecken. "Der Boden ist dort sandig, feucht und sauer. Nicht gerade ideal für einen guten Erhaltungszustand." Außerdem haben Erosion und landwirtschaftliche Bearbeitung die Erdschichten durcheinandergebracht. "Wir haben oft nur wenige Zentimeter tief in das Gelände eingeschnitten. Ein Meter war das Maximum."
Vertiefungen zum Waschen
Zum Vorschein kamen kleine Gruben, die mit Sandstein eingefasst waren, und die der Archäologe für Vertiefungen zum Waschen oder Gerben hält. Zudem Pfostengruben und Gräben. Holzreste ermöglichten es, die Nutzung des Geländes in die Früh-Bronze-Zeit (2000 vor Christus) zu datieren, obwohl noch Steinwerkzeuge bei der Zuspitzung von Holzpfählen eingesetzt wurden. "Das ist in diesem Zustand in ganz Oberfranken etwas Besonderes."
Das Hauptaugenmerk zogen zwei Brunnen auf sich, die in der Urnenfelder-Zeit (1300—800 vor Christus) als Wasserquelle gedient haben mögen. In einem lag noch eine Art Korb aus Lindenbast, der sich dank einer Lehmabdeckung nicht zersetzt hatte. "Hätten wir Gräber gefunden, wären darin auch Urnen mit Grabbeigaben gewesen", so Matthias Tschuch.
Die Leichen wurden zu dieser Zeit auf Scheiterhaufen verbrannt und in Tongefäßen vergraben. Die größte Überraschung brachte die Sondierung eines zwei Hektar großen Gebietes nördlich der Brücke über die Bahngleise. Das dorfähnliche Gebilde soll während der Urnenfelder- und Hallstatt-Zeit (800—400 vor Christus) ein Zentrum der Region gewesen sein.
Zumindest legen das die über 30 bisher ergrabenen Hausgrundrisse nahe. Kleinere zum Wohnen, größere für die Speicherung von Lebensmitteln wie Getreide. Die Gebäude standen, zum Schutz vor Überschwemmungen und Nagetieren, auf Pfählen. Eine beinahe 30 Meter lange, ovale Palisadenanlage hat ihre Spuren hinterlassen. Sie hat wohl ein größeres Gehöft geschützt.
Unter der Oberfläche fand sich der Rest einer Vogelplastik aus Ton, die "als Rassel entweder kultische Funktion hatte oder als Spielzeug diente." Eine Nadel zum Verschließen der Kleidung und hochwertige Teller, "weit jenseits einfacher Gebrauchskeramik", weisen auf die Bedeutung des Ortes in der Eisenzeit hin. Über die zwei Hektar, die von Februar bis Juli 2016 erkundet worden sind, wird bald der ICE rauschen. "Wir mussten graben, um zu retten, was für die Nachwelt gerettet werden konnte."
Nächste Jubiläumsveranstaltung am Sonntag, 7. Mai, 13 Uhr: Historischer Spaziergang durch Kersbach mit Willi Preusch, Treffpunkt am Kriegerdenkmal.
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