Gräfenberg: Umstrittener CSU-Ortschef tritt zurück
12.3.2020, 16:00 UhrDas Video, das der Redaktion vorliegt und laut Dateibeschreibung auf den November 2018 datiert ist, zeigt: Thomas Müller, CSU–Ortsvorsitzender von Gräfenberg, der zusammen mit einigen Herren in geselliger Runde – offenbar in seiner Gräfenberger Brennerei – lautstark ein Lied mitsingt, das im Hintergrund aus den Lautsprechern kommt.
„Auf Kreta im Sturm und im Regen“ nennt sich das kriegsverherrlichende Stück, in dem das vermeintliche Heldentum von Wehrmachts-Soldaten glorifiziert wird. Die NS-Propaganda hatte es eigens nach der blutigen Besetzung der griechischen Insel durch deutsche Fallschirmjäger-Truppen 1941 („Unternehmen Merkur“) komponieren lassen. Unerwähnt im Liedtext bleiben freilich die Kriegsverbrechen und Massaker, die im Zuge der deutschen Besatzung an der Zivilbevölkerung Kretas verübt wurden; etliche wissenschaftliche Abhandlungen gehen von bis zu 8500 getöteten Zivilisten aus.
Hitlergrüße und Hetz-Beiträge
In dem Video zeigt einer der Männer aus der feucht-fröhlichen Runde um Müller während des Singens mehrmals den Hitlergruß, was augenscheinlich niemanden stört – auch den schon damaligen CSU-Ortschef nicht. Es wird vielmehr weiter fröhlich mitgesungen.
Der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Michael Hofmann zeigt sich entsetzt, als er vor wenigen Tagen das Video in der NN-Redaktion in Augenschein nimmt. Wie berichtet, steht Müller bereits seit Ende Januar in der Kritik: Im Zuge von NN-Recherchen kam ans Licht, dass der für den Gräfenberger Stadtrat kandidierende Politiker über Jahre hinweg auf seiner privaten Facebook-Seite teils offen fremdenfeindliche Posts geteilt hatte. Einige der von ihm weiter verbreiteten Inhalte hatte Facebook selbst zwischenzeitlich als Falschmeldungen kenntlich gemacht.
Damit konfrontiert, gab sich Müller zunächst uneinsichtig: Mit den fraglichen Beiträgen habe er lediglich „Unstimmigkeiten in der Politik in Deutschland benennen“ wollen. Allerdings distanzierten sich der CSU-Kreisverband wie auch der Vize-Ortsvorsitzende Gräfenbergs und Bürgermeisterkandidat Hans Derbfuß von Müllers Posts („grenzüberschreitende Inhalte“). Die Kreis-CSU kündigte klärende Gespräche an und schloss weitere Maßnahmen nicht aus.
Daraufhin veröffentlichte Müller ein schriftliches Statement auf der Facebook-Seite des Gräfenberger Ortsverbandes, in dem er sich für die von ihm geteilten Hetz-Beiträge entschuldigte (und 17 davon löschte). Er sei „weder fremdenfeindlich noch rechtsradikal“. Gleichwohl relativierte er die geteilten Inhalte – es sei ein Fehler gewesen, „diese ohne Kommentar zu teilen“, auch weil dadurch „ein falscher Eindruck“ entstanden sei. Bei der CSU in Gräfenberg und im Forchheimer Kreisvorstand schien man sich damit zufrieden zu geben.
Das aber verneint Kreis-Chef Michael Hofmann: Der Fall Müller sei mitnichten ad acta gelegt worden. Er verweist darauf, dass parteiinterne Klärungen und Maßnahmen – vor allem angesichts vor der Tür stehenden Kommunalwahlen – nicht immer von heute auf morgen umgesetzt werden könnten.
"Schaden abwenden"
Doch jetzt sind die Konsequenzen gezogen worden. In einer aktuellen Mitteilung der Kreis-CSU heißt es: „Thomas Müller legt mit sofortiger Wirkung den CSU-Ortsvorsitz nieder und wird auch aus der Partei austreten.“
Müller habe zudem verkündet, „dass er im Falle einer Wahl am 15. März in den Stadtrat von Gräfenberg das Mandat nicht antreten werde“. Damit wolle er auch „Schaden von der CSU und den vielen, sich derzeit im Wahlkampf befindlichen CSU-Kandidaten abwenden“.
Nicht frei vom Verdacht
Dem vorausgegangen war ein gemeinsames Treffen zwischen dem Kreisvorstand, Müller und Derbfuß. Hofmann erklärte dabei im Namen der Teilnehmer des Treffens, dass der Inhalt des Videos „für ein CSU-Mitglied ganz und gar inakzeptabel“ sei. Hofmann weiter: „Die CSU grenzt sich klar zur AfD und anderen rechtsradikalen Parteien ab.“ Jedes Mitglied müsse frei von dem Verdacht sein, solch extreme Positionen nicht mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen.
Müller habe wiederum erklärt, dass er sich beim Singen des Liedes „nichts Schlechtes gedacht“ hätte. Die konkreten Hintergründe des Liedes seien ihm „nicht bekannt“ gewesen. Er hätte sich an diesem Abend „anders verhalten und auf die Vorkommnisse anders reagieren“ müssen. Mit seinem Rücktritt vom Ortsvorsitz und dem Austritt aus der CSU wolle Müller nun „verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen“.