Kino Forchheim im Wandel der Zeit: "James Bond ist immer eine Granate"
27.8.2018, 06:00 UhrDie Holztür im Hinterhof des Kino-Center Forchheim knarrt nicht, obwohl sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Hinter ihr ist eine Betontreppe versteckt. Ein paar Stufen aufwärts führt sie zu einer Eisentür. Über sie geht es in einen wohnzimmergroßen Raum unmittelbar hinter dem Union-Kinosaal. Filmplakate alter Streifen dekorieren die Wände. Vor dem Holzschreibtisch steht ein roter, lederner Sessel, der schon vor 40 Jahren dem Filmvorführer die Zeit in der Dunkelheit bequem gemacht hat. Während die Zuschauer gebannt auf die Leinwand blicken, ist es im Technikraum dunkel. Die Rollos lassen dann kein Tageslicht durch. Nur der Projektor projiziert durch ein schmales Fenster das bewegte Bild in den Saal mit seinen 447 Sesseln. Es ist der größte der drei Kinosäle im Kino-Center Forchheim.
Titanic: Fast untergegangen
Ein paar Dutzend Filmrollen lagern nur noch aus Dekorationszwecken in einem kleinen Holzregal. Es sind kleine Werbeschnipsel, die vor dem Film durch den Projektor gejagt wurden. Aus einzelnen Bildern hat sich somit ein bewegtes Bild zaubern lassen. Doch damit ist seit 2008 Schluss. Jenes Jahr markiert für das Kino Forchheim den Übergang in eine neue Zeitrechnung. Es ist das Jahr, in dem der digitale Wandel den Familienbetrieb erreicht hat. War es vorher der schwere, große Karton mit der Filmrolle, ist es heute die kleine, gepolsterte Box, die die neuesten Hollywood-Produktionen, auf einer Festplatte gespeichert, in die Stadt bringt.
Stunden bevor das Kino öffnet, scheint es noch im Dämmerschlaf zu sein. In den Fluren und den Sälen ist es dunkel. Nur an wenigen Stellen erhellt Tageslicht das Gebäudeinnere. Die Popcornmaschine steht still. Nur in einer Ecke klappert es. Gertrud Leikam kommt mit ihrem Wischer um die Ecke. Seit 49 Jahren sorgt sie für Sauberkeit im Kino, hat über die Jahre kiloweise Popcorn und tausende Flaschen, die nach der Vorstellung in den Sitzhalterungen stecken geblieben sind, eingesammelt. "Das Kino gehört einfach zu meinem Leben. Wenn ich ins Kino gehe, bin ich daheim." In Erinnerung bleibt ihr das Jahr 1997, als James Cameron die Titanic auf der Leinwand untergehen ließ. "Wir sind fast mit der Titanic untergegangen", sagt Leikam. Viele Zuschauer bedeuten eben viel Arbeit. Jeden Tag.
Mitarbeiter wie Leikam sind Gold wert, sagt Manuela Dengler-Redlin. 2015 hat sie die Kinogeschäfte von ihrem Vater übernommen. "Luxus" ist die digitale Technik. Sie macht das Bild stechend scharf. In der Zeit der Filmrollen musste sich der Vorführer schon mal unbemerkt in den Kinosaal schleichen und die Bildqualität überprüfen. Teurer waren die Rollen auch, zum Kopieren für die Verleiher. Die Anzahl war daher begrenzt, nicht jeder Film konnte gleich beim Bundesstart in Forchheim laufen. Das ist heute anders.
Rund die Hälfte des Eintrittspreises gibt Dengler-Redlin an die Verleiher weiter. Bleiben die Besucher aus, muss trotzdem gezahlt werden: die sogenannte Mindestgarantie. "Das ist bei Arthouse-Filmen problematisch." Also Filme, die Randthemen behandeln, nicht die große Masse anlocken. Trotzdem setzt Dengler-Redlin auf dieses Genre. Weggefallen sind hingegen die Spätvorstellungen am Samstag. Der Grund: Zu wenige Zuschauer bei gleichzeitig langen Arbeitszeiten für die Mitarbeiter.
Zuschauerzahlen bestimmen auch, welche Filme laufen. Und das Bauchgefühl der Kinochefin. Für jeden soll etwas dabei sein. "Das ist bei drei Sälen auch mal schwierig." Dengler-Redlin führt täglich Buch über die Besucherzahlen. Für sich selbst, für die Programmplanung der nächsten Wochen, und für die Verleiher. Die Forchheimer Zahlen fließen so auch in die bundesweiten Kinocharts ein.
2018 schlägt sich besonders in der Statistik nieder. Bundesweit sind die Besucherzahlen im ersten Halbjahr dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich nach unten gegangen. "Dieses Jahr ist das Wetter das Hauptproblem und hat uns zu schaffen gemacht", sagt Dengler-Redlin. Die Menschen setzten sich bei Sommerwetter lieber auf Bierbänke statt Kinosessel. Zugleich sei das Filmangebot mager gewesen. "Mit Minions-Filmen ist auch der Saal bei 40 Grad Außentemperatur voll." Doch die Verleiher haben sich mit großen Filmstarts im WM-Sommer zurückgehalten, sagt auch die Filmförderungsanstalt FFA.
Neben vielen Events im Sommer hält die Konkurrenz von Netflix, Amazon und Co. die Menschen von einem Besuch im Kino ab, sagt Dengler-Redlin (siehe Umfrage unten). Im digitalen Zeitalter lässt sich auf eine Videothek mit tausenden Filmen bequem mit wenigen Klicks vom Sofa zu Hause aus zugreifen. Das junge Publikum macht sich heute im Kinosaal rar, sagt Dengler-Redlin. "Wo sind die?" Besonders die Gruppe der 14- bis 18-Jährigen. Den größten Teil der Eintrittskarten verkauft das Kino, das 1924 mit einem einzigen Kinosaal (Apollo) an den Start ging, an Familien mit Kindern, junge Erwachsene und ältere Besucher.
Auch um den gestiegenen Ansprüchen der Zuschauer gerecht zu werden, entstand 2001 das neue Kino-Foyer mit Café. Die 3D-Technik erhielt mit der Digitalisierung den Einzug: "Die Kinder stehen darauf. Bei Erwachsenen hat die Anziehungskraft nachgelassen."
Wunsch nach viertem Kinosaal
Trotz der Konkurrenz und dem Wandel bleibt Denlger-Redlin hoffnungsfroh. "Damals hatten wir große Angst vor Videos und Videotheken. Doch das haben wir erfolgreich überdauert." Ein Auf-und-Ab gab es schon immer. "Das hat sich immer wieder eingespielt." Spitzenfilme können dem Kino auch im digitalen Zeitalter Spitzenjahre bescheren. 2015 war so ein Jahr, mit 80 000 Besuchern. Es war das Jahr von "Spectre", dem neuen Streifen von James Bond. "Der ist immer eine Granate."
Im Geschäft zu bleiben, bedeutet für das Kino auch, mit der Zeit zu gehen. "Es war damals eine gute Entscheidung, die drei Säle auf einmal digital umzurüsten", sagt Dengler-Redlin. Was bedeutet das für die Zukunft? "Ich hätte gerne noch einen vierten Kinosaal." Diesen Wunsch will sie aber nicht um jeden Preis umsetzen. "Wir sind mit unserem kleinen Kino zufrieden und wollen auch weiterhin Preise anbieten können, die einen Ausflug ins Kino für Familien nicht zum Luxus machen."
Gertrud Leikam will noch ein Jahr im Kino wischen, ihre 50 Berufsjahre voll machen. Dann soll Schluss sein. Und das Kino? Bleibt ihr Zuhause.
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