Kunreuth: Bei Heike Hommel steckt die Kunst in den Genen
13.6.2020, 14:00 UhrDie Kunst begleitet Hommel Zeit ihres Lebens. Es begann schon mit ihrem Großvater Gustav Oesterle, der an der schlesischen Meisterschule in Bad Warmbrunn Holzschnitzer unterrichtet hat. "Das Künstlerische steckt wohl in den Genen", sagt sie. Schon damals als Kind regten die Formen und Farben der Natur sie an.
Heute sind es immer noch vielgestaltige Samen und Fruchtkapseln, Pflanzenteile, die sie mit Makrofotografie vergrößert, oder Insektenbauten, die ihre filigranen Geheimnisse offenbaren. "Im Garten fängt es an, wenn man Details betrachtet." Dann kann Hommel sich für ein Stück durchlöchertes Holz in ihrem Schuppen begeistern, in das sich Ameisen eingenistet haben.
Andere Ideen kommen ihr vor das äußere und innere Auge beim Spaziergang mit ihrem Hund. Seit 40 Jahren lebt Hommel in Kunreuth. Damals zog sie mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Wilfried hierher. Das ländliche Flair des Ortes, der auf große Neubaugebiete verzichtet hat, zog sie in ihren Bann. "Ich bin ein Landkind, stamme ja aus Magstadt, das war auch dörflich geprägt."
Es sei ihr wichtig gewesen, dass sie sich als Neubürger dem Vorhandenen anpassen habe müssen und nicht Kunreuth seinen Charme in Folge der vielen Zuzüge verloren habe. Das traf auch auf ihre Eltern Walter und Liesel Burmester zu, die ihrer Tochter in das fränkische Paradies hinterherzogen.
Ihre Künstlerkollegin Franziska Stephani hingegen, die einige Straßen weiter schon beim Offenen Atelier dabei war, hat ihr "KeramikARTelier" nach Glonn verlegt. "In Kunreuth bin ich die einzige bildende Künstlerin die beim Offenen Atellier mitwirkt."
Die Motive und Materialien, mit denen Heike Hommel experimentiert, sind denn auch auf Schritt und Tritt zu finden. "Vor mir ist kein Material sicher." Doch am meisten fasziniert sie der uralte Werkstoff Ton, der bei der Verarbeitung alle Elemente herausfordert: Die Erde, das Wasser, das Feuer und die Luft. Selbst hat sie schon in Neunkirchen am Sand gegraben, um den berühmten Ton zu gewinnen, aus dem das Speikerner Reiterlein besteht. Jenes keltische Kunstwerk, das vor fast einem halben Jahrhundert ans Tageslicht gekommen ist. Andere Quellen der Inspiration sind die Holzplastiken eines Ernst Barlach, die reduzierten Figuren eines Pablo Picasso und besonders die grazilen Gestalten Walter Moroders, eines zeitgenössischen Bildhauers aus Südtirol.
In einer Zinktonne gelingt Hommel der Rauchbrand, den sie mit Sägespänen und Holz erzeugt. Umwickelt von Gräsern, Metallen und anderen Stoffen verändert die zuvor bereits gebrannte Keramik ihr einzigartiges Aussehen. "Das hat man irgendwann nicht mehr in der Hand."
Es entstehen durch die Anlagerung der organischen Stoffe Schattierungen und Farbnuancen, Muster und Tönungen, die bei der Künstlerin "jedes mal Spannung, Neugierde und Ehrfurcht auslösen". Zur Zeit sind es lebensgroße Figuren, die aussehen, als ob sie eingerostet wären.
Heike Hommel jedenfalls ist trotz der kraftraubenden Tätigkeit voller Elan. Der Eindruck der Corona-Krise, das Alleinsein, das Fragile, ist aus der Gedankenwelt der Künstlerin bereits durch ihre Hände auf den stillen Ton übergegangen und hat ein keramisches Gesicht bekommen.
Beruflich war sie stets stark gefordert. Nach dem Studium in Kirchheim unter Teck arbeitete sie in den 1970er Jahren als Lehrerin für Kunst, Werken und Sport an Gymnasien im Hohenlohe-Kreis.
Dann kamen der Hausbau, später die Erziehung der beiden Kinder, Kathrin und Clemens und zuletzt die Pflege ihres Mannes. Vor 16 Jahren startete sie an zwei Grundschulen im Landkreis Nürnberger Land eine zweite Karriere.
Mit der Pensionierung vor zwei Jahren aber begann die künstlerische Ader wieder zu pulsieren. Nun hat sie die nötige Muße, um mit ihren Händen ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.
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