Liebevolles Zuhause: Immer mehr Kinder brauchen Pflegefamilien im Kreis Forchheim
22.4.2021, 05:58 Uhr"Wir sind mit Ella in den Musikgarten gegangen, in die Krabbelgruppe, zum Kinderturnen. Anfangs hatte sie Defizite, aber wir haben das alles hinbekommen", berichtet Anna. Sie und ihr Mann Daniel haben die kleine Ella als Pflegekind bei sich aufgenommen, als sie ein Jahr alt war. "Wir lieben sie so sehr, sie ist wie unser eigenes Kind", erzählt die junge Frau aus dem Landkreis Forchheim.
Ella kam sinnbildlich mit einem Rucksack zu ihnen: Vernachlässigung im Elternhaus und drei Bindungsabbrüche, denn sie war bei zwei Bereitschaftspflegen, bevor sie in die Obhut von Anna und Daniel kam. Die Folge: Verunsicherung und Ängste. "Sie weinte viel." Auch eine verzögerte Entwicklung wurde bei der Kleinen festgestellt.
"Pflegekinder bringen eine besondere Belastung mit", sagt Anna. Neben dem ganz normalen Bedarf wie Nahrung, Kleidung, Spielsachen, käme eben noch einiges hinzu. Manche nehmen Reittherapie oder müssen zur Osteopathie. Nicht alles würden Krankenkassen übernehmen. "Ganz oft ist es so, dass die Pflegefamilie dann Geld aus eigener Tasche drauflegt. Denn man tut alles, was man kann, damit es dem Kind gut geht." Sie wünscht sich, dass da der individuelle Bedarf des Kindes mehr Berücksichtigung findet.
"Wie ein leibliches Kind"
Andere hätten schon zu ihr gesagt: "Ihr bekommt doch Geld." Pflegefamilie zu sein sei wie ein zusätzlicher Job, für den man entlohnt wird. "So ist es nicht. Für uns ist Ella wie ein leibliches Kind", sagt sie. Allerdings gibt es beim Status als Pflegefamilie rechtliche Einschränkungen, im Unterschied zu einer Adoption.
"Die leiblichen Eltern haben ja auch Rechte." Einmal im Monat finden Treffen in Begleitung des Pflegekinderdienstes statt, auch regelmäßig Hausbesuche des Jugendamtes. "Bei uns hat sich alles gut eingespielt, auch zusammen mit den leiblichen Eltern. Da müssen alle gut zusammenarbeiten", schildert sie.
126 Kinder im Landkreis
Aktuell leben im Landkreis Forchheim 126 Kinder in Pflegefamilien – teils sogar schon seit kurz nach ihrer Geburt und bis sie einmal selbständig sind. Gerade bei jüngeren Kindern, die nicht mehr bei ihren leiblichen Eltern zuhause leben können, habe sich die Unterbringung in einer Pflegefamilie bewährt, wie Petra Müller vom Amt für Jugend, Familie und Senioren im Jugendhilfeausschuss des Landkreises Forchheim berichtet. Und der Bedarf steigt, erläutert sie. Welche Ursachen es dafür gibt, wollte Kreisrat Jakob Müller (Grüne) wissen.
Sucht oder psychische Probleme
"Oft stecken Suchtproblematiken dahinter oder psychische Beeinträchtigungen. Viele Eltern sind einfach überfordert", schildert sie. Das ziehe sich durch alle Schichten. Auch die Unterbringung von Kindern bei Verwandten nehme zu. Häufig wenden sich überforderte Eltern ans Jugendamt und wünschen sich eine Unterbringung für ihr Kind.
Letztlich erweist sich die Unterbringung von Kindern in einer Pflegestelle als die wesentlich kostengünstigere Alternative zu einer stationären Heimunterbringung, teilt Müller mit. Diese ist mit monatlichen Kosten von rund 7000 Euro verbunden. In einigen Einzelfällen ist sie noch teurer.
Die Pflegeeltern haben gegenüber dem Jugendamt Anspruch auf Zahlung eines Pflegegeldes entsprechend dem Alter des Kindes und dessen individuellen Betreuungsbedarfs. Die Pflegepauschale setzt sich aus dem Unterhaltsbedarf und dem Erziehungsbetrag zusammen. Daneben erhalten die Pflegeeltern das staatliche Kindergeld. Die Anpassung des monatlichen Pflegegeldes in der Vollzeitpflege erfolgt im Landkreis Forchheim auf Grundlage der Empfehlungen des Bayerischen Städte- und Landkreistages. Nun steht eine Erhöhung der Pflegepauschale an. Sie ergibt sich aus der Anpassung des Unterhaltsbedarfs zum 1. Januar 2021.
Erhöhung der Pauschale
Die Erhöhung der monatlichen Pflegepauschale fällt folgendermaßen aus: Bei Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren beträgt sie 917 Euro, bei Kindern von 7 bis 12 Jahren 1033 Euro und ab dem 13. Lebensjahr 1187 Euro. Zuletzt lagen die Beträge seit 2019 bei 854 Euro (0 bis 6 Jahre), 958 (7 bis 12 Jahre) und 1098 Euro (ab dem 13. Lebensjahr).
Auch die einmaligen Leistungen in den Pflegekinderrichtlinien ändern sich und errechnen sich nun wie folgt: bei Kindern von 0 bis 6 Jahren 23 Euro, 7 bis 12 Jahren 39 Euro und ab dem 13. Lebensjahr 40 Euro. Etwa drei bis vier Prozent höher. "Eine moderate Erhöhung", erklärt Petra Müller. Der Jugendhilfeausschuss des Landkreises nahm Kenntnis von den aktualisierten Pflegekinderrichtlinien und beschloss einstimmig deren Anpassung.
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