Nach Schulschluss in die Schutzkleidung

27.4.2018, 18:38 Uhr
Nach Schulschluss in die Schutzkleidung

© Foto: Edgar Pfrogner

Die Königin ist schwer zu erkennen. Sie ist etwas größer als die anderen Bienen, doch, umgeben von ihrem herumwuselnden Volk, ist sie kaum auszumachen. Sie ist inkognito, ohne farbliche Kennzeichnung, unterwegs. Die Kinder recken die Hälse, studieren die Wabe genau, folgen dem Finger von Imker Wilhelm Stoschek, der auf die ,Grande Dame‘ der Bienen zeigt. Die Kinder stehen gelassen in der summenden Wolke. Sie tragen ein weißes Imkerhemd, einen Hut mit Schleier und Handschuhe aus Leder.

Wilhelm Stoschek, ein erfahrener Imker, arbeitet ohne jede Schutzkleidung. Stiche bekommt an diesem Nachmittag, kurz nach Schulschluss, keiner ab. Das heißt auch, dass der "Smoker" seine Aufgabe gut macht. Schüler Iven hält einen Behälter mit Düse auf die Beute mit den Rähmchen gerichtet und bläst die Bienen mit Rauch an. Das soll sie beruhigen, erklärt Imker-Kreisverbandsvorsitzender Wolf-Dietrich Schröber: "Die Tiere denken, dass es brennt. Sie nehmen deswegen noch schnell Nahrung auf. Dadurch werden sie träge und der Imker interessiert sie kaum noch".

Freies Flugloch

Jedenfalls solange nicht, wie das Flugloch frei bleibt. Im Sommer ist es etwas breiter angelegt, denn da herrscht reger Verkehr, wenn die Bienen zum Pollensammeln ausschwärmen. Im Winter haben die Beuten, in denen die einzelnen Rähmchen, also die Bau-, Futter- und Brutplätze der Völker, hängen, kleinere Schlitze. Einmal in der Woche gehen die Kinder und die vier Imker nach Schulschluss in den Schulgarten, um mit den Tieren zu arbeiten. An jenem Nachmittag sind die Schüler voll bei der Sache: Sie bekommen ein zweites Volk.

Und das wird in eine von den Kindern bemalte Beute umgesiedelt. Jeder der elf Schüler darf eine Wabe platzieren, Imker Stoschek hilft, um Unfälle zu vermeiden. In einem Rahmen sind ganz deutlich die Bieneneier zu erkennen, an einem anderen brüten sich Drohnen aus. Die Schüler kratzen vor dem Umhängen vorsichtig etwas Bienenwachs ab. Daraus werden sie im Verlauf des Projekts noch Kerzen formen.

Im Sommer, Ende Juli, dürfen sie dann gemeinsam mit den Imkern ihren Honig schleudern. "Unser Ziel ist es, mit den Schülern das gesamte Jahresprogramm eines Imkers durchzuziehen", sagt Richard Rupprecht, erster Vorsitzender des Verbands in Ebermannstadt. "Wir wollen aus den Kindern nicht gleich Imker machen. Aber wir wollen ihnen die Tiere näher bringen." Und vielleicht bleibe ja das Interesse in der Zukunft bestehen.

Neben der Praxis behandeln die Kinder das Thema Bienen auch im Unterricht. Sie lernen, aus welchen Körperteilen eine Biene besteht, wie sie sieht, wie ein Volk organisiert ist. "Ich mag Bienen", sagt die achtjährige Maja und erklärt damit, warum sie an dem Projekt teilnimmt — Honig isst sie allerdings nicht. Trotzdem kann sie sich vorstellen, beim Imkern zu bleiben.

Rektorin Annette Forster-Sonnefelder hat sich ebenfalls in Schutzkleidung geworfen. Sie hat das Projekt in Kooperation mit dem Imkerverband angestoßen. "Die Kinder sind interessiert und unvoreingenommen", erklärt sie. "Es macht ihnen Spaß."

Hoffen auf reiche Ernte

Einige seien, zumindest flüchtig, mit Bienen bekannt: "Das hier ist ein Obstgebiet, manche Eltern oder Großeltern haben oder hatten selbst Völker." Auch Forster-Sonnefelder hat schon einen Imkerkurs besucht — und Blut, beziehungsweise Honig geleckt. Es ist ihr wichtig, dass das Mitmach-Projekt langfristig läuft: Darum sind auch Teilnehmer aus verschiedenen Jahrgangsstufen dabei. Wenn die Viertklässler die Grundschule irgendwann verlassen, sind noch die Jüngeren da, die dann die Expertenrolle einnehmen können.

Wenn alles gut läuft, produzieren die fleißigen Bienchen pro Volk zwischen 20 und 25 Kilo Honig. Den dürfen die ebenso fleißigen Teilnehmer dann ernten und naschen. Und vielleicht, so die Rektorin, bleibt ja auch noch was übrig zum Verkaufen. Dann könnten ihre Schüler sogar noch ein Etikett selbst gestalten. Und sie hätten einen kompletten Herstellungsprozess mitgemacht und abgeschlossen: Vom ersten Bienenei bis hin zum süßen Gold.

 

Königin legt bis zu 2000 Eier pro Tag

Summ, summ, summ . . . die fleißigen Bienen schwärmen derzeit wieder aus. Die hölzernen Kisten, in denen sie leben und arbeiten, nennen die Imker Beuten. In ihnen werden die Rähmchen aufgehängt, in denen die Tiere ihre Waben bauen. Im Sommer erreicht die Population in einer Beute (mit elf Rähmchen) bis zu 60 000 Exemplare. Das ist der Königin zu verdanken, denn die legt 2000 Eier am Tag. Pro Rahmen produzieren sie rund 2,5 Kilogramm Honig. Den ernten die Imker, einen Teil lassen sie aber dem Bienenvolk. Das braucht schließlich im Winter auch Nahrung. Zufüttern mit Zuckerwasser ist oftmals trotzdem nötig — und davon vertilgen die Insekten etwa zwölf bis 15 Kilogramm im Jahr. Eine Beute ist etwa 160 Euro Wert, eine Königin vom Züchter kostet rund 25 Euro. Deutschlandweit werden jährlich etwa 15 000 Tonnen Honig produziert. Für 500 Gramm müssen Arbeitsbienen laut dem Deutschen Imkerbund 40 000 mal ausfliegen, sie legen dabei eine Strecke von 120 000 Kilometern zurück. Nur ein Prozent der Imker in Deutschland hat mehr als 50 Völker.

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