Politiker aus Kreis Forchheim zu Hass im Netz: Das sagt Manfred Hümmer
7.11.2019, 09:56 UhrHass ist ein weites Feld. Und ein hartes Wort. Hass gibt es in vielen Formen, bisweilen zeigt er sich verdeckt, auch verklausuliert, nur um im nächsten Moment ganz offen zu wüten. Was aus ihm in seiner schrecklichsten Form werden kann, hat zuletzt der Terroranschlag von Halle gezeigt – als aus hasserfüllten Worten und Gedanken eine hasserfüllte Tat wurde, die Menschenleben gekostet hat.
Im Nachgang dieses jüngsten Hassverbrechens ist eine dringliche, weil grundsätzliche Debatte entbrannt: über Antisemitismus, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit. Über die Radikalisierung im Verborgenen und schärfere Waffengesetze. Und auch über die im Schwinden begriffenen Hemmungen, Amts- und Würdenträger, Vereine oder Aktivisten (kurzum: Personen des öffentlichen Lebens) aufs Übelste zu beleidigen, gar zu bedrohen – insbesondere im Internet, dem Ort, an dem man es sich gemütlich machen kann, um jenseits allen Anstandes (manchmal auch jenseits aller Vernunft) nach Herzenslust zu ätzen und zu hetzen.
Denn: Konsequenzen fürchten die wenigsten. Zu viele Räume im Netz, zu viele Ecken und Gruppen auf den großen und kleinen Online-Plattformen unserer Tage scheinen tatsächlich rechtsfrei zu sein. Die Anonymität des Digitalen, sie erleichtert den Abschied von der Toleranz.
Und ein beschämendes Urteil könnte diese Auffassung von Meinungsfreiheit sogar noch zu stärken: Vor wenigen Wochen entschied das Berliner Landgericht, dass sich die Grünen-Politikerin Renate Künast "auch sehr weit überzogene Kritik" eben gefallen lassen müsse – nachdem sie zuvor im Netz unter anderem als "Geisteskranke", "Schlampe", "Stück Scheiße" und "Drecksfotze" beschimpft wurde. Die Richter werteten solche Tiraden als "zulässige Meinungsäußerungen".
Extreme Häme und Beleidigungen erfahren auch Politiker aus dem Landkreis Forchheim. "Persönlich, von Angesicht zu Angesicht, ist das noch nicht passiert. Was wohl auch daran liegt, dass ich eine durchaus imposante Erscheinung bin", scherzt Manfred Hümmer zunächst. Dann aber wird der Stadt-, Kreis- und Bezirksrat der Freien Wähler ernst: Immer wieder werde er in den sozialen Medien "richtig übel angegangen". Hümmer ist auf den Internet-Plattformen selbst sehr aktiv und meinungsstark unterwegs. Er weiß deshalb: "Wer austeilt, muss auch einstecken können."
Schiere Lust an der Provokation
Doch oft würden die Grenzen der erträglichen Frotzelei überschritten; von Menschen, die aus schierer Lust an der Provokation (im Internet-Sprech "Trolle" genannt) völlig unreflektiert austeilen. "Da wird man wüst beschimpft", so Hümmer, "und der Ton wird mit dem verstärkten Einsatz der sozialen Medien und der scheinbaren Anonymität, die man dort genießt, immer rauer". Der Grundsatz einer jeden konstruktiven Diskussion ("Ich teile nicht deine Meinung, aber ich setze mich dafür ein, dass du sie vertreten darfst") gelte überhaupt nichts mehr.
Dass im Internet häufig nur noch die eigene Sichtweise oder die der eigenen Gruppe zählt, ist kein neuer Befund. Hümmer: "Das gilt für Parteigänger ebenso wie für User ohne konkreten Bezug zur Lokalpolitik. Oft stammen die Leute von außerhalb und haben eigentlich gar nichts mit Forchheim zu tun." Differenziert werde nicht mehr, pauschalisiert dafür umso wilder. "Die wollen gar nicht mit anderen Parteien oder Personen diskutieren, sondern folgen in einem blinden Kadavergehorsam immer nur denen, die die eigene Meinung teilen."
Ganz oben auf der "Liste"
Das führt so weit, dass der Politiker schon verkappte Drohanrufe erhalten hat – die laut Hümmer aus den Reihen des Forchheimer AfD-Kreisverbandes kamen: "Da wurde mir sinngemäß am anderen Ende der Leitung mitgeteilt: Wenn sich die Zeiten ändern würden, stünde ich ganz oben auf der ,Liste‘. Mir war klar, dass damit ,Abschussliste‘ gemeint war." Inzwischen hat sich Hümmer, seines Zeichens Polizeihauptkommissar, ein Limit gesetzt, wenn er Facebook und Co. nutzt: "Sobald ich merke, dass eine Diskussion im Internet endlos und nur noch destruktiv wird, klinke ich mich aus."
Sind Sie als Person des öffentlichen Lebens ebenfalls zur Zielscheibe von Hass im Netz oder im Alltag geworden? Hat Ihr Verein oder Ihre Gruppe mit regelmäßigen Anfeindungen zu kämpfen? Melden Sie sich bei uns, erzählen von Ihren Erfahrungen: redaktion-forchheim@pressenetz.de oder Telefon (0 91 91) 72 20 20.
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