Sigritzau soll wohl doch nicht "schnuckelig" bleiben

Ulrich Graser

Stv. Redaktionsleiter, Nordbayerische Nachrichten für Forchheim und Ebermannstadt

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17.7.2019, 16:00 Uhr
Sigritzau soll wohl doch nicht

© Ulrich Graser

Wurde binnen sechs Monaten der Bebauungs- oder der Flächennutzungsplan geändert? Nein. Ist Sigritzau plötzlich keine „landschaftsgebundene Siedlung“ mehr, wie im Landschaftsplan ausgewiesen? Doch. Ist ein Wunder geschehen? Auch nicht. Allerdings hat in der Zwischenzeit nach Informationen dieser Zeitung der Vater des Antragstellers am Kersbacher Kreisel eine Fläche für die Verlagerung des Betriebes an der Lände angeboten und die BayWa hat dieses Angebot dankend angenommen. Das ist also passiert.

"Von Bebauung freizuhalten"

Deswegen musste der Leiter des Bauordnungsamtes, Stefan Schelter, im Juni dieselben Vorbehalte gegen das Bauvorhaben noch einmal vortragen, die er schon im Dezember vorgetragen hatte: Es handele sich um einen ökologisch wertvollen Bereich, das Tal sei von „hoher schützenswerter Bedeutung für wiesenbrütende Vögel, den Klimaschutz und die Trinkwasserversorgung der Stadt“, es sei „von Bebauung freizuhalten“.

Und: Der Fachplan Wohnen, die Bibel der Stadtentwicklung in Sachen Wohnungsbau, „sieht hier keine Entwicklung zur Deckung des städtischen Wohnungsbedarfes vor“. Alles wie gehabt, trotzdem empfahl das Bauamt diesmal, dem Bauantrag zuzustimmen.

Offizielle Begründung: Am 4. Juni hatte der Planungsausschuss beschlossen, am Kersbacher Kreisel ein Gewerbegebiet eigens für die BayWa-Umsiedlung einzurichten. Deswegen könne „auch der Antrag auf Vorbescheid (für das Haus mit Doppelgarage, Anm. d. Red.) planungsrechtlich neu bewertet werden.“ Die Ziele der Landschaftsplanung „bleiben für Sigritzau zwar auch weiterhin grundsätzlich erhalten“. Aber da in einer Entfernung „von weniger als 200 Metern“ ein Gewerbegebiet geplant wird, könne „ein Einfluss auf das Grundstück am westlichen Ortsrand nicht grundsätzlich ignoriert werden“. Eine „Neubeurteilung für eine Bebauung zugunsten des Bauherrn im Rahmen einer Ortsabrundung“ könne daher „befürwortet werden“.

Null Schnuckeligkeit

Man meint beim Lesen direkt zu spüren, wie sich die Feder des Autors gegen die niedergeschriebenen Aussagen sträubt. Denn in Klartext übersetzt steht da: Das Gewerbegebiet in Rufweite dampft den Sigritzauer Grad an Schnuckeligkeit auf Null ein. Da ist es dann auch schon wurscht, ob ein Haus im Außenbereich gebaut wird.

Der Grundbesitzer hilft der Stadt mit der Fläche am Kersbacher Kreisel aus der Patsche. Denn es muss ja wieder einmal schnell gehen: Siemens will erweitern, braucht das heutige BayWa-Gelände, also muss dieser Betrieb weichen, aber wohin? An eigenen Flächen hat die Stadt lediglich den Bauhof an der Lände anzubieten. Aber um den zu verlagern, müsste erst im Norden das geplante Gewerbegebiet entwickelt und ausgewiesen werden.

Das dauert, Siemens drängt, es pressiert, da kommt die Fläche im Wiesenttal gerade recht, der BayWa angeboten vom Vater des Sigritzauer Bauwilligen. Plötzlich fallen alle Puzzleteile an die richtige Stelle und der Stadtrat gibt seinen Segen dazu.

Der BayWa kommt die Fläche mehr als recht, wie die Pressestelle in München auf Anfrage mitteilt. Der neue Standort „lässt sich optimal in das bestehende Standortnetz einbinden“. Er habe mehrere Vorteile: Der komplette Kundenverkehr könne aus der Innenstadt auf die Randlage verlagert werden. Dadurch werde die CO2- und die Stickoxid-Belastung in der Stadt reduziert und es gebe keinen „Zusatzverkehr für die Fränkische Schweiz (Wiesenttal)“.

Alte werden durch moderne Gebäude nach energetischer Bauweise ersetzt, dadurch ergebe sich auch eine „Minimierung des Energieverbrauchs“, so die BayWa. Für den Neubau setzt das Unternehmen folgende Kriterien an: „Nachhaltiges Konzept für Oberflächenwasser, Stromverbrauch etc., modernste Umwelttechnik für alle Betriebsstoffe, Schallschutz über den Anforderungen.“ Die Verlagerung soll bis Sommer 2021 abgeschlossen sein.

Inzwischen neue Pläne

Im Planungsausschuss waren übergreifend erhebliche Vorbehalte gegenüber den geplanten 26 Meter hohen Silos laut geworden. Inzwischen hat die BayWa aber umgeplant: „Zum Zeitpunkt der Planabgabe war noch nicht abschließend festgelegt, ob Silobauten oder Hallenbauten zur Lagerung von Getreide verwendet werden. Daher enthielt der Plan beide Varianten, um flexibel entscheiden zu können. Zwischenzeitlich wurde das Zusammenspiel des vorhandenen Standortnetzes der BayWa mit dem Standort Forchheim definiert und die Entscheidung für Hallenbauten gefällt, die deutlich niedriger als Silobauten sind.“

Eine Verlagerung auf die Fläche des heutigen Bauhofes der Stadt an der Lände kommt für die BayWa nicht in Frage, denn: „Die angebotene Bauhoffläche ist nur etwa halb so groß wie die jetzige Betriebsfläche. Teile der jetzigen Betriebsfläche hätten daher dorthin nicht verlagert werden können.“

Bedenken "haben sich reduziert"

Wir haben die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat mit dem Rechercheergebnis konfrontiert. Zunächst äußerten sich nur zwei Sprecher dazu. Sebastian Körber (FDP) sagte, er habe ja schon im Dezember den Bau im Außenbereich befürwortet. Für ihn hätten sich die vom Bauamt vorgetragenen Probleme („Splittersiedlung“) nicht gestellt.

SPD-Fraktionschef Reiner Büttner meinte, das Bauvorhaben in Sigritzau sei im Dezember „auch deshalb abgelehnt worden, da die Löschwasserversorgung kritisch gesehen wurde. Durch die Erschließung des neuen BayWa-Geländes entstehen durch die Nähe unter anderem auch für die Feuerwehr neue Lösungen. In Summe haben sich die Bedenken durch das neue Gewerbegebiet reduziert.“

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