Urteil: Radfahrer müssen rufen und bremsen können
11.10.2012, 12:00 Uhr16. April 2009, 12.25 Uhr: Ein Sportler fährt mit seinem speziell angefertigten Triathlon-Sportrad auf dem Geh- und Radweg von Buckenhofen in Richtung Pautzfeld. Gleichzeitig spaziert eine damals 65-jährige Frau dort mit ihrem Hund. Die Frau sieht den Radfahrer in einiger Entfernung kommen. Sie ruft deshalb ihren Hund, der sich im Gebüsch neben dem Weg befindet, um ihn anzuleinen, wendet sich dabei mit dem Gesicht dem Gebüsch zu.
Trotzdem nähert sich der Radfahrer mit einer Geschwindigkeit von zirka 15 Stundenkilometern. Laut eigenen Aussagen ruft er der Frau schon von weitem „Hallo, Vorsicht“ zu, da er keine Klingel an seinem Sportrad hat. Offenkundig versteht die Frau seine Rufe nicht. Denn als sich der Radfahrer in unmittelbarer Nähe der Frau befindet, macht sie einen Schritt in Richtung Wegmitte und erschrickt als er plötzlich vor ihr ist.
Trotz eines Ausweichversuchs kommt es zu einem folgenreichen Zusammenstoß. Der Radler trifft die Frau mit der Schulter im Gesicht. Ihr Nasenbein wird gebrochen, außerdem kommt es zu einer Mittelgesichtsfraktur und sie verliert drei Schneidezähne. Der Radfahrer bricht sich das Schlüsselbein, das Schambein, verstaucht sich den Finger und klagt über mehrere Prellungen.
Das Gericht hatte nun zu entscheiden, wer die Hauptschuld an dem Unfall trägt. Das Landgericht kam zu dem eindeutigen Beschluss, dass der Radfahrer 80 Prozent Verschulden am Unfall hat, die Fußgängerin 20 Prozent. Begründet wird dies unter anderem mit §1 Abs.2 StVO: jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als den Umständen nach vermeidbar, behindert oder belästigt wird. Auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg hat zwar prinzipiell keiner der beiden Verkehrsteilnehmer Vorrang.
Besondere Rücksichtnahme
Aber der Radfahrer darf sein Rad nur so schnell bewegen, dass er es jederzeit beherrscht und abbremsen kann. Soweit erforderlich, muss Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Das wäre in diesem Fall angemessen gewesen. Der Radler ist zur besonderen Rücksichtnahme angehalten.
Andererseits trifft die Fußgängerin insofern eine Mitschuld von 20 Prozent, als sie erst hätte schauen müssen, ob der Weg frei ist, ehe sie einen Schritt in die Mitte des Weges tat. Denn sie hatte den herannahenden Radler ja in größerer Entfernung bereits wahrgenommen. Daher hätte sie sich nicht nur auf den Hund konzentrieren dürfen. Der Hund spielte in der Schuldfrage keine Rolle, weil er nicht auf dem Weg war.
Das Oberlandesgericht(OLG) wies die Berufungsklage einstimmig zurück, „weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat...“. Damit bestätigt das OLG das Urteil des Landgerichts, wie der Rechtsvertreter der Frau, Mönius & Partner aus Forchheim, mitteilt. Demnach muss der Radfahrer der Fußgängerin 6000 Euro Schmerzensgeld bezahlen, die vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten sowie die Verfahrenskosten.
Der Buckenhofener Zusammenprall habe zu einem Grundsatzurteil geführt, so Rechtsanwalt Thomas Mönius. Das heißt, in ähnlichen Fällen werden sich Verteidiger und Staatsanwaltschaft künftig auf dieses Urteil berufen.
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