Franke will erster OB mit arabischen Wurzeln werden
9.2.2014, 13:21 UhrWenn Muchtar Al Ghusain Wahlkampf macht, verteilt er nicht nur das klassische Kandidatenfaltblatt, sondern auch Kindheitserinnerungen. "Weil mich so viele Leute nach dem Namen fragen", erklärt der Würzburger Oberbürgermeister-Kandidat dann, und überreicht ein gelbes Heft mit einer Kurzgeschichte. Darin erzählt der Sozialdemokrat von Ausflügen mit seinem blinden Großvater, einem besonderen Weihnachtsgeschenk - und eher nebenbei davon, wie sein palästinensicher Vater nach Deutschland kam.
Falls der bisherige Kulturreferent sich bei der Kommunalwahl am 16. März durchsetzt, wäre er wohl der erste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt mit arabischen Wurzeln. Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ist jedenfalls kein anderer Großstadtchef mit Migrationshintergrund bekannt.
Wenig Migranten in der Politik
Überhaupt sind noch relativ wenige Migranten in der Kommunalpolitik aktiv. Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2011 stammen nur vier Prozent der Stadträte in Großstädten aus einer Zuwandererfamilie, obwohl dies auf mehr als ein Viertel der Bevölkerung zutrifft. "Wenn die Gesellschaft sich öffnet, muss sich das auch widerspiegeln", sagt der Sprecher des Städte- und Gemeindebunds, Franz-Reinhard Habbel.
Al Ghusain weiß, dass sein Sieg somit Symbolcharakter hätte, auch wenn der 50-Jährige die Rolle des "Mustermigranten" zurückweist. "Das entspricht auch nicht meiner Vita, dafür bin ich zu normal, als dass ich das jetzt überbetonen sollte."
Er wurde in Kuwait geboren, doch schon mit sieben Jahren zog die Familie zu den Eltern seiner Mutter nach Würzburg. Seinen Migrationshintergrund habe er als Kind kaum wahrgenommen: "Schließlich sehe ich weder besonders exotisch aus, noch habe ich einen Akzent, außer eben dem Würzburger Dialekt", schreibt Al Ghusain auf seiner Webseite. In der Kulturpolitik, die in der fränkischen Residenzstadt großen Stellenwert hat, setzte der studierte Musikwissenschaftler und Kulturmanager in den vergangenen Jahren Akzente.
Harter Konkurrent
Sein wichtigster Mitbewerber ist Kämmerer Christian Schuchardt. Er kandidiert für CSU, FDP und die Würzburger Liste. Schuchardt präsentiert sich als Macher und Vertreter finanzieller Vernunft. "Das was ich ansage, setze ich auch um", betont er. Al Ghusain wirft er vor, zu viele Versprechungen zu machen, die sich nicht finanzieren ließen. "Man muss halt ein Bild davon haben, wo man hin will, aber es bringt nichts, jeden Monat eine neue Sau durchs Dorf zu jagen, wie das hier seit Jahren passiert." So eine Art Migrationshintergrund hat auch er: Der gebürtige Frankfurter ist CDU-Mitglied.
Das Rennen ist spannend. Traditionell ist die CSU in Würzburg stark, auch verschiedene Wählergemeinschaften sind vergleichsweise erfolgreich. 2008 konnte der SPD-Kandidat Georg Rosenthal sich in der Stichwahl gegen die CSU-Amtsinhaberin durchsetzen, er wechselte im Herbst in den Landtag. Al Ghusain tritt für SPD und Grüne gemeinsam an - Lagerwahlkampf.
Fraglich ist auch, wie sich die mindestens drei weiteren Bewerber schlagen. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte der renommierte Umweltanwalt Wolfgang Baumann der härteste Konkurrent werden. Der gut vernetzte und kampagnenerfahrene Jurist, der bundesweit mit spektakulären Prozessen wie gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf bekannt wurde, setzt auf Konfrontationskurs zur bisherigen Verwaltungsspitze: "Genug versäumt, jetzt wird aufgeräumt", lautet sein Slogan.
Streit und heftige Diskussionen
Inhaltlich sorgte in Würzburg bislang vor allem die Sanierung des Mainfranken Theaters für Diskussionen, nachdem im Vorjahr bekannt geworden war, dass die vorgesehenen 22 Millionen Euro wohl bei weitem nicht ausreichen. Streit gibt es auch um den Umgang mit dem Mozartareal, einer früheren Schule, die nun teilweise kulturell genutzt wird und für die sich Investoren interessieren. Offen ist, wie weit der umstrittene Ausbau der Autobahn 3 in den Wahlkampf hineinspielt - eine Initiative um OB-Kandidat Baumann hat gerade einen Bürgerentscheid durchgesetzt.
Nicht unwahrscheinlich, dass die Entscheidung wie bei den letzten vier Wahlen in einer Stichwahl fällt. Mögliche Vorbehalte gegen einen christdemokratischen OB-Bewerber im CSU-Land hatte Parteichef Horst Seehofer übrigens persönlich beiseite gewischt: "Schauen Sie, wie viele CSU-Leute wir in anderen Bundesländern haben", sagte er laut "Main-Post" im vergangenen Sommer. Muchtar Al Ghusain beschwört derweil im Internet-Werbespot augenzwinkernd seinen Namen: "Übrigens: In der deutschen Übersetzung heißt Muchtar Bürgermeister. Fei echt."
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