Flechtwerkgestalter: Refugium für ein aussterbendes Handwerk
01.06.2015, 22:00 UhrDas große Geld ist es nicht, nach dem Stefania Küble strebt. Es ist mehr eine Herzensangelegenheit. Die brünette Frau in der Zunfthose aus Cord liebt es, wenn aus dem rauen, knorrigen Rattan langsam ein feines Muster entsteht, gleichmäßig geflochten, filigran gewoben. Still ist es dann, wenn Küble auf ihrem Hocker mit Lammfell sitzt und die getrockneten Binsen zwirbelt. Nur manchmal läuft das Radio. Kassetten stapeln sich daneben – alles ein wenig Retro hier – russische Volksmusik, Vivaldi, Rammstein.
Was wie meditatives Basteln aussieht, fordert in Wahrheit jede Menge Geschick, Geduld und Konzentration. Keine Maschine kann dem Handwerk das Wasser reichen. Wenn das trockene Rattan knackt und bricht, tauscht Küble es aus. Niemals könnte eine Maschine das erkennen.
Küble ist eine von zwei eingetragenen Korbflechtern in ganz Mittelfranken. Sie war eine der Ersten, die den Ausbildungsberuf zum Flechtwerkgestalter erlernt haben. Seit 2006 bietet eine Berufsschule in Lichtenfels — als Einzige der Republik — den Lehrberuf an. Drei Jahre. Vollzeit.
Das Handwerk indes ist freilich alt. Weil das ungewöhnliche Gewerk zu den aussterbenden seiner Gattung gehört, hat die Schule den Beruf ein wenig aufpoliert. Design, Grafik und Marketing gehören jetzt dazu. Doch der Flechtwerkgestalter bleibt ein Kuriosum. 500 gibt es vielleicht in Deutschland, schätzen Experten, die exakte Zahl weiß niemand so genau.
Fünf Jahre ist es her, dass Küble ihre Werkstatt in der Nürnberger Straße eröffnet hat. Das Geschäft brummt. Das Auftragsbuch quillt über — bis Dezember ist alles dicht. Dass ihre Kassen klingeln, bedeutet das aber nicht. „Leben könnte ich davon nicht“, räumt die 45-Jährige ein. Nur vormittags hockt sie geduldig in der Werkstatt, am Nachmittag arbeitet sie als Erzieherin.
Die Werkstatt ist hell und groß, 80 Quadratmeter vielleicht. Es riecht nach Weiden und nach Wachs. Rattanstangen lehnen an der Wand. In der Ecke stehen reihenweise Stühle. Stühle, die knarzen, deren Sitzgeflecht im Laufe der Jahrhunderte unter der Last ihrer Besitzer eingeknickt ist. Kleine Risse haben sich in der Sitzfläche gebildet, andere klaffen auseinander, als hätte jemand das Rattan zerfetzt.
„Die Stühle sind mein Brot“, sagt Küble. Zwar reist sie immer wieder von Markt zu Markt und bietet ihre Körbe feil. Doch Geld bringen die Stühle. Zehn Stunden etwa braucht Küble für eine neue Sitzfläche. Diese allerdings hält gut ein paar Jahrzehnte, ist sich die Handwerkerin sicher. Das ist sowieso der große Vorteil ihrer Arbeit: „Die Handarbeit hat Qualität.“ Und erlebt gerade eine Renaissance, zumindest wenn es nach der gebürtigen Oberschwäbin geht.
Die Leute fangen wieder an, Qualität zu schätzen, sagt sie, lassen Dinge reparieren und greifen dafür auch mal tiefer in die Tasche. An die 150 Euro kostet es, wenn Küble eine neue Sitzfläche flechtet.
Das Klientel ist eher betucht. Mitunter spannend für die Gesellin — wenn sie die Stühle abholt, erblickt sie manche außergewöhnliche Wohnung von innen, voll mit antiken Schränken, silbernen Bechern aus dem Mittelalter und schweren Teppichen. Aber froh ist sie trotzdem, wenn sie wieder auf ihrem Hocker sitzt.
Die Jubiläumsfeier mit einer Ausstellung, Flechtstation, Kuchen und Grillen, findet am Samstag, 13. Juni, ab 15 Uhr, in der Flechterei im Hinterhof, Nürnberger Straße 61, statt.
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