Die Faszination der Maschine
06.03.2010, 00:00 Uhr
Unter dem Titel «Das güldene Kalb» präsentiert Gerstung seine jüngsten Arbeiten: Bilder, in denen er Ausschnitte und Details von Motoren mit extremer Präzision festhält. Seine besondere Technik, Fotografie, Druck, Malerei und Vergoldung zu kombinieren, führt zu Motiven von umwerfender haptischer Qualität und Ästhetik. Gerstungs Motoren wirken dreidimensional und greifbar. «Ohne Motoren bewegt sich heute nichts mehr», so der Künstler über sein Thema, «der Motor ist das güldene Kalb der Neuzeit.» Als Maler hatte er die Absicht, den «faustischen Pakt zwischen Mensch und Maschine» ins Bild zu rücken. Die Übermacht der Maschine verdeutlicht seine Arbeit, in der er einen überdimensionalen Motor zu einem winzigen Menschen in Kontrast setzt. Der Sinn des Künstlers für eingebaute Gags kommt hier zum Zug: Er hat sein Selbstporträt mit verrutschter Perücke eingefügt.
Gerstung geht es aber auch darum, die Hinfälligkeit der menschlichen Errungenschaft Motor sichtbar zu machen. Rost, abgeplatzte Farbe, Schmutz- und Ölspuren führen zu einer zwar morbiden, aber ungemein reizvollen Wirkung, die vor allem sein «Jaguar E» verströmt. Hier hat er in Lüstertechnik Blattsilber und lasierende Temperafarben eingesetzt, um einen verblüffenden Materialcharakter zu erzielen. Auch hier ist sein Motiv bis ins kleinste Detail jeder Schraube oder Niete, jedes noch so kleinen Metallgrats und jeder Schmutzkruste ausgearbeitet.
Genauso versessen auf täuschend echte Wiedergabe ist Gerstung in seinem «Bergsteigerbild», das mit seinen unzähligen Figürchen wie ein «Wimmelbild» wirkt. Unaufhaltsam streben die kleinen Holzmännchen hinauf, während am unteren Rand der Tod ins Gestalt eines Bergsteigerchens mit Totenkopf schon die Strippen nach oben zieht.
Dieser Sinn Gerstungs für hintergründigen Witz offenbart sich auch in dem Bild «Panzer», wo es vor Panzern und Knallfröschen ebenfalls nur so wimmelt. Zugleich zeigt sich bei diesen beiden Arbeiten auch die spielerische Komponente im Werk von Walter Gerstung: Er ordnet gerne gleiche Gegenstände massenhaft an. In der Ausstellung zeigt er deshalb auch gleich einige Objekte mit den Bergsteigerfigürchen und Spielzeugpanzern, die für seine Arbeiten Modell standen.
MARION REINHARDT
Vernissage «Das güldene Kalb» und Künstlergespräch heute um 18 Uhr im Kunstschaufenster des City-Centers, Theaterebene