365-Euro-Ticket: Nürnberg setzt Fürths OB unter Zugzwang
18.6.2020, 15:45 UhrThomas Jung erfuhr bei der Morgenlektüre der Zeitung vom überraschenden Votum des Nürnberger Stadtrats – und er mochte seinen Augen nicht trauen. "Das ist ein Paukenschlag", sagt Fürths Oberbürgermeister. Nur ein Paukenschlag, nicht eher ein Affront unter engen Nachbarn? Denn vorab informiert wurde Jung, wie er freimütig zugibt, durch seinen neuen Nürnberger Amtskollegen Marcus König nicht.
Als Affront will Jung das dennoch nicht werten, er sei zwar "irritiert", habe aber Verständnis für die Nürnberger. Weil ein Bürgerentscheid in Sachen 365-Euro-Ticket mit guten Chancen auf Erfolg heraufdämmerte, habe Nürnbergs Politik "unter großem Druck gestanden", zu handeln.
Nun sind die Nachbarn am Zug – neben den Städten Fürth, Erlangen und Schwabach die vier angrenzenden Landkreise: Sie sollen sich nach Möglichkeit anschließen, um in diesen Gebieten gleiche Tarifbedingungen zu gewährleisten. Das hält auch Thomas Jung für wünschenswert, insbesondere im Fall der Städte Nürnberg und Fürth, die doch verkehrstechnisch als Einheit zu betrachten seien.
Deshalb ist dem Rathauschef "eine einvernehmliche Lösung" wichtig. Unterschiedliche Tarife in Fürth und Nürnberg müsse man "unbedingt vermeiden". Denn das, ist der OB überzeugt, "würde noch mehr Leute abschrecken". Noch mehr, damit meint er: als die Verkehrsbetriebe durch die Corona-Krise ohnehin schon verloren haben. Bei gerade mal 50 Prozent gegenüber "normalen" Zeiten liege die Auslastung derzeit in den U-Bahnen, gar nur bei 30 Prozent in den Fürther Bussen,
Enorme Defizite habe das zur Folge – und nun kämen durch das 365-Euro-Ticket Einbußen in stattlicher Millionenhöhe pro Jahr hinzu. Dass Nürnberg nebenbei auch noch ein günstiges 15-Euro-Monatsticket für sozial Schwache durchgewinkt hat und die Fahrpreise bis 2023 nicht erhöhen möchte – das bringt Fürth in Zugzwang, auch hier nachzubessern.
Zu schultern, so Jung, sei all das nur mit neuen Schulden, mit Steuererhöhungen oder aber mit schmerzhaften Einsparungen an anderer Stelle. Alle drei Optionen hält der Rathauschef für nicht praktikabel – und setzt deshalb auf den Freistaat: Vor einigen Wochen schon haben er und seine Kollegen an Ministerpräsident Markus Söder geschrieben und um finanzielle Unterstützung bei der Einführung des 365-Euro-Tickets gebeten, das man unisono für erstrebenswert hält, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen.
Zwei Drittel der Kosten, so die Forderung hiesiger Kommunen, soll der Freistaat tragen. Bisher habe man keine Rückmeldung, nun, weiß Jung, drängt die Zeit. Schon am Freitag wollen sich die Vertreter der acht betroffenen Städte und Landkreise im Licht der Nürnberger Entscheidung treffen. Der OB will die Angelegenheit von der Fürther Kämmerei durchrechnen lassen, in die nächste Sitzung des infra-Aufsichtsrats bringen und in die Juli-Sitzung des Stadtrats.
"Da ist jetzt natürlich eine "ganz neue Dynamik drin", sagt Jung; es gelte nun, "schwierige Fragen zu klären".
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