Agiert Karussellbetreiber der Kärwa behindertenfeindlich?
18.12.2013, 11:15 UhrAm Ende stand Aussage gegen Aussage. Als Sieger durfte sich dennoch der Schausteller fühlen, dem die Stadträte im Kirchweihausschuss demonstrativ den Rücken stärkten. Heidi Lau von den Freien Wählern hingegen musste sich von ihren Kollegen, vom Bürgermeister, von einem Referenten sowie anderen Schaustellern so einiges anhören.
Doch der Reihe nach: Lau hatte am Familiennachmittag die diesjährige Kirchweih mit ihrem schwerbehinderten Enkelkind besucht. Das Mädchen kann nicht alleine Karussell fahren, es braucht Hilfe. An mehreren Fahrgeschäften, so Lau, sei es problemlos möglich gewesen, als Begleiterin kostenlos mitzufahren, nachdem sie für das Kind den „normalen Preis“ bezahlt hatte.
Am Fahrgeschäft des besagten Schaustellers sei ihr das verweigert worden — unter anderem mit den Worten, so Lau, ein so schwer behindertes Kind könne doch sowieso keine Freude am Karussellfahren haben. Lau stellte daraufhin einen Antrag mit der Forderung, es müsse in der Kirchweihsatzung geregelt werden, dass Begleiter „von auf Unterstützung angewiesenen Personen“ kostenfrei mitfahren können. Und: Lau forderte, den Schausteller von der Kärwa auszuschließen.
Der Mann, nach eigenen Worten seit einem „Hinterwandherzinfarkt“ selbst behindert, musste nun im Kirchweihausschuss Stellung beziehen — und schilderte das Geschehen gänzlich anders.
Eine „sehr aufgeregte Frau“ habe an der Kasse verbilligten Fahrpreis für ihr Kind gefordert und erklärt, sie müsse umsonst mitfahren. Er habe ihr von Anfang an gesagt, dass das nicht geht, weil sie zu schwer für das Kinderkarussell sei. Doch darauf sei Lau nicht eingegangen, sie habe vielmehr gedroht, als Stadträtin dafür zu sorgen, sein Geschäft von der Kärwa auszuschließen.
In der Sitzung stellten sich Laus Stadtratskollegen hinter den Mann, der seit 30 Jahren auf der Kärwa tätig ist. Er kenne ihn „als ruhigen Menschen“, seine Schilderung sei absolut glaubwürdig, sagte SPD-Fraktionschef Sepp Körbl und griff Lau scharf an: „Ich kenne Sie seit 24 Jahren und weiß, wie Sie auftreten können, wenn Sie sich persönlich betroffen fühlen.“ Ihr Antrag, den Mann auszuschließen, sei anmaßend. Schaustellerchef Helmut Dölle zeigte sich „befremdet und verwundert“. Laus Vorgehen sei für ihn „reine Wahlkampfpropaganda“.
"Bildzeitungsniveau"
Bürgermeister Markus Braun nannte den Vorwurf der „Behindertenfeindlichkeit“ absurd und riet Lau, vorsichtiger mit solchen Anschuldigungen zu sein.
Anstatt einen öffentlichkeitswirksamen Antrag zu schreiben und wenige Tage vor der Sitzung eine Pressemitteilung zu verschicken, hätte sie das Problem auch direkt im Gespräch mit der Stadtverwaltung und den Schaustellern klären können.
Auch Horst Müller, als Wirtschaftsreferent für die Kärwa zuständig, fragte sich, warum Lau nicht das Gespräch gesucht habe. „Stattdessen musste sich ein Mann, der sich jahrzehntelang nichts zu schulden kommen ließ, wie vor einem Straftribunal verantworten“, so Müller. Laus Pressemitteilung mit einem Foto, auf dem sie ihre Enkelin herzt, und der knalligen Überschrift „Warum durfte die kleine Sophia nicht Kinderkarussell fahren?“ habe „Bildzeitungsniveau“.
Der Ausschuss weigerte sich, den Schausteller auszuschließen. „Um künftig Irritationen zu vermeiden“, so Horst Müller, beschloss er aber, in die Satzung aufzunehmen, dass Begleitpersonen eines schwerbehinderten Menschen umsonst fahren sollten — sofern das technisch überhaupt möglich ist.
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