Als die Army Platz für einen neuen Stadtteil machte
8.11.2013, 11:00 UhrEs ist eine Anekdote, die Joachim Krauße gern erzählt. Bei seinem Amtsantritt 1993, nachdem er sich auf eine Zeitungsannonce hin auf die Stelle des Fürther Baureferenten beworben hatte, habe ihn der damalige Rathauschef Uwe Lichtenberg mit den Worten empfangen: Er brauche sich als neuer Stadtbaurat keinen Illusionen hinzugeben und hochfliegende Pläne zu verfolgen; in Fürth gelte es, den Mangel zu verwalten.
Nur zwei Jahre später standen Krauße und die gesamte Stadtverwaltung vor „einer Jahrhundertaufgabe“, wie er es heute nennt: die Umwandlung riesiger Brachflächen in Wohn- und Gewerbegebiete, Konversion genannt. Knall auf Fall hatte die US-Army Mitte der 90er Jahre bekannt gegeben, ihren Standort Fürth aufzugeben: 1994 die Monteith-Kaserne in Atzenhof, 1995 den großen Rest, darunter die William-O.-Darby-Barracks mitten in der Südstadt. Ein 400000 Quadratmeter umfassendes Areal, das den Fürthern über Jahrzehnte durch die US-Streitkräfte entzogen war.
Heute leben in diesem ganz neuen Stadtteil 4000 Menschen in 1600 Häusern und Wohnungen. Zahlen, die die ursprünglichen Erwartungen weit übertreffen. Oberbürgermeister Thomas Jung nennt den Südstadtpark folglich „eine der größten Erfolgsstorys der jüngeren Stadtgeschichte“. Jung verschweigt nicht, dass die Weichen schon unter seinem Vorgänger Wilhelm Wenning gestellt wurden, betont aber, dass weit in seine Amtszeit hinein um die Gestaltung gerungen wurde.
Am Mittwoch lud Jung zum Pressetermin ein, um zurückzublicken. Der Aufhänger: Vor zehn Jahren wurden die ersten von 350 Linden gepflanzt, die sich als dreireihige Allee um die enorme Rasenfläche des Parks gruppieren und inzwischen eine stattliche Größe erreicht haben. Dass Jung für seine Rückschau nicht den zehnten Geburtstag des Südstadtparks im September 2014 abwartete, mag daran liegen, dass es doppelt so viel Freude macht, noch vor den Kommunalwahlen im März auf Erfolge hinzuweisen.
Viel Grün gewünscht
Dass der Südstadtpark heute bundesweit als beispielhaft für gelungene Konversion gilt, hat Jung und Krauße zufolge mit zwei Faktoren zu tun: Zum einen sei viel denkmalgeschützte Substanz erhalten und „mit einer zeitgemäßen Bebauung in Einklang“ gebracht worden. Zum anderen sollte eine 100000 Quadratmeter große Grünfläche den Kern des neuen Wohngebiets bilden. Während Jung von „massiver Entsiegelung“ spricht, ist Krauße dafür dankbar, dass kein Oberbürgermeister auf die Angebote einzelner Großinvestoren einging, das Areal auf Kosten des gewünschten Grüns zu entwickeln.
Stattdessen beharrte die Kommune auf der Größe des Parks und regelte die Konversion 1998 in einem städtebaulichen Vertrag mit dem Bund, dem die Flächen nach dem Abzug der Amerikaner gehörten. Das Abkommen beschreibt Krauße so: Die Stadt kümmerte sich um Planung und Bau der Infrastruktur, der Bund finanzierte alles mit Erlösen aus den Grundstücksverkäufen. Was heute wie ein Selbstläufer wirkt, kostete die Verantwortlichen reichlich Nerven. „Wir wussten nicht, ob wir das alles schaffen“, erinnert sich Krauße. Zudem hielt sich das Interesse von Wohnungsbauträgern an Fürth noch in engen Grenzen. „Die mussten wir erst anlocken“, sagt der Baureferent. Die Besiedlung begann im Jahr 2000, doch der Knoten platzte erst, als alle nicht erhaltenswerten Schuppen, Werkstätten und Betriebsgebäude der US-Army abgebrochen waren und die Konturen des Parks ersichtlich wurden. Auch für den großen Kopfbau, der einst die Mannschaftsquartiere der Soldaten beherbergte, fand sich lange Zeit kein Interessent. Die Stadt bot das Gebäude sogar dem Quelle-Konzern als neue Hauptverwaltung an. Als man sich im Rathaus schon erste Gedanken über einen Abriss machte, griff das Unternehmen P&P 2003 zu, entkernte das Gebäude und schuf fast 150 Wohnungen.
Mit der offiziellen Einweihung im September 2004 begann das grüne Herz des Wohngebiets zu schlagen. Landschaftsarchitekt Gerd Aufmkolk legte die zehn Hektar mit strengen geometrischen Formen an, die an die frühere Kaserne erinnern sollen. Mit dieser Planung hatte er 1996 gemeinsam mit dem Stuttgarter Professor für Städtebau, Franz Pesch, den vom Fürther Rathaus ausgelobten Ideenwettbewerb gewonnen.
Rundum die Grünfläche hat sich das Wohngebiet nach und nach gefüllt. Heute ist es voll belegt — nicht nur mit Wohnungen. Die Musikschule Fürth hat eine Bleibe gefunden, ebenso die Pflegehochschule der Diakonie Neuendettelsau. Hinzu gesellen sich Kindergärten, Krippen, Horte, Seniorenheime und eine neue Kirche. Der Südstadtpark, sagt Krauße, ist ein „modernes, urbanes Wohnquartier mit Modellcharakter“.
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