Ambitionierte Alleskönner

27.08.2013, 22:00 Uhr
Ambitionierte Alleskönner

© Pfeiffer

Leif Schoeller überlegt kurz. Sollen wir jetzt noch eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnen? Denn vieles, was im Modellbau-Atelier im Gewerbehof Complex Form annimmt, ist noch in der Entwicklung und wird von den Herstellern gehütet wie ein Schatz. „Das darf ich auch nicht zeigen“, sagt der Chef.

Anderes aber schon. Wie beispielsweise das Modell für ein Sonnenkraftwerk, das er für die Desertec-Stiftung angefertigt hat. Parabolspiegel, Stahlstützen und Leitungen im Maßstab 1:10, darunter Wüstensand – der um des Effekts willen hinterleuchtet wird. Oder das Modell eines Straßenbahngleises. Flüsterleise soll es sein, denn die Stahlschiene ist in dämpfende Gummiblöcke gebettet. Natürlich könnte man einen Abschnitt „in echt“ aus dem Gleisbett schneiden. Aber dann bräuchte man Gabelstapler, um ihn zu transportieren. So hat der Modellbauer die Wirklichkeit eins zu eins nachgebildet – in leichteren Materialien.

Schaum, Plastik, Holz, Metall. Leif Schoeller ist Alleskönner, er arbeitet mit den zur Umsetzungsidee passenden Materialien. Das lernen die Azubis schon in der Berufsschule, erzählt Joy Schoeller, die seit einem Jahr im väterlichen Atelier lernt. Schreiner, Schlosser, Kunststoffwerker und Lackierer – von allen Gewerken müssen Modellbauer etwas verstehen.

Ambitionierte Alleskönner

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Vor allem aber müssen sie mitdenken und Erfindungsgeist beweisen. Gerade begleitet Schoeller ein neues Steckdosenradio. Kaum größer als ein Kaffeebecher, muss es hörbar Sound entwickeln, soll drehbar und natürlich leicht zu bedienen sein. Wirklich verflixt!

Viel schwieriger aber noch war das U-Boot, das gerade über den Präsentationsschirm flimmert. Das unbemannte Wasserfahrzeug kann bis zu einer Tiefe von 400 Meter tauchen und soll Fliegerbomben im Schlick der Ostsee orten. Schoeller hat es mitentwickelt. Die stromlinienförmige Außenhülle, vor allem aber die schwenkbaren Scheinwerfer und die 3-D-Kamera, das Kabel nicht zu vergessen. Auf 400 Meter drückt das Gewicht gewaltig, deshalb musste ein selbstschwimmendes Kabel gefunden werden.

Wie Leif Schoeller dazu kommt? Er ist ein wacher Geist, ein rühriger Mensch. Nach dem Fachabitur machte er eine Ausbildung zum Werkzeugmacher, studierte dann Maschinenbau und machte sich 1988 selbstständig. 1991 setzte er noch den Meister drauf.

Zu seinen Kunden gehören namhafte Unternehmen: früher AEG und Grundig, heute Siemens, Rehau, Pfleiderer und viele andere.

Modell des Klinikums

Auch das Modell des Fürther Klinikums, das in der Eingangshalle auf der Schwand steht, hat er um die Neubauten ergänzt. Doch Architekturmodelle, die in seinen Anfangsjahren ein sicheres Geschäft waren, sind nicht mehr gefragt.

Ebenso wenig wie das händische Kleben und Basteln. In Schoellers Werkstatt wird – neben konventioneller Holz- und Metallbearbeitung – mit Hightech wie CNC-Fräsen und Spezialverfahren gearbeitet. Bauteile aus Epoxydharz werden im Vakuum gegossen, im 3-D-Drucker entstehen aus Gipspulver bereits farbige Kunststoffmodelle.

Immer, wenn besondere Expertise oder bestimmte Bearbeitungsschritte gefragt sind, greift Schoeller auf sein Netzwerk zurück. Andreas Wenz beispielsweise, der den 3-D-Farbdruck beherrscht, den „Prototyp“ Christian Herrmann oder Stephan Pacardo, der sich mit E- und Strömungstechnik auskennt.

Tüfteln am eigenen Projekt

Gemeinsam tüfteln die Männer an einer ureigenen Idee, einem eigenen Projekt: einem Wasserkraftwerk, das auch bei geringer Strömungsgeschwindigkeit und ohne Gefälle arbeitet. Ihre Versuchsanlage haben sie gleich vor der Werkstatt aufgebaut. Ganz unorthodox aus ein paar Paletten, Wassertank, Fallrohren und einem Fass – für ihre Forschung ist dies genau das Richtige und günstig zudem. Das Patent ist bereits angemeldet, jetzt suchen Schoeller und Co. Investoren für den Bau einer Pilotanlage.

Wenn es nicht so hektisch wäre im Moment! Im September sind die ersten Messen, bis dahin müssen zehn Projekte fertig werden. Darunter sind ein vergrößerter Raumtemperaturregler, in dessen Sichtfenster ein Werbevideo projiziert werden soll, das schnittige Modell einer Luxusyacht und ein originalgroßes Armaturenbrett für ein Zukunftsauto, das nicht mehr mit Hebel, sondern mit Drehknopf geschaltet wird. Aber das muss, bitteschön, unter uns bleiben!

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